Donnerstag, 24. Oktober 2019

1560 Der dritte Kondensstreifen


Lautlos unter dem gerade noch hellen, sonnenleeren Himmel bewegen die Bäume da vorne im Hof ihre Zweige mit den übrig gebliebenen Blättern dem Wind zuliebe und wiegen sich schon zur Nachtruhe hin. Nervöses Zucken jedoch wandert gelegentlich noch durch die Kronen und ihren dünnbeblätterten Randzonen und das schreckt sie nochmals auf, während es immer dunkler wird.
Ein in rötlichem Weiß auftauchender Kondensstreifen schiebt sein dunkelsilbriges Flugspielzeug quer über den Himmel.

Der dritte Kondensstreifen formt sich gerade zu einer geheimnisvollen Schrift, die man schnell lesen müßte, denn das Universum hat mit den Lesern seiner Botschaft keine Geduld und läßt die Schrift gleich wieder verschwinden. Vielleicht ist es schon mehr als fünf vor zwölf und keine Zeit mehr übrig? Aber was steht da (ist gestanden)? Mene, mene tekel upharsin? Gewogen und zu leicht befunden? Diese Botschaft höre ich oft und sage sie mir selber immer wieder vor. (Hier sitz ich und ich kann nicht anders.)

Jetzt rührt sich nichts. Gar nichts. Bevor allzu große Feierlichkeit aufkommt, bellt ein Hund, durchaus zurückhaltend, und ein neuer Windhauch kommt auf. Der Abend ist hereingebrochen. Der Tag und seine Chancen sind vorbei. Alles wartet auf die Nacht, auf dieses andere Reich, das bald seine vielversprechenden Möglichkeiten anbieten wird.

Ist es schon die Erwartung auf diese Nacht, die die Blätter jetzt wieder vibrieren läßt? Die Bäume also auch?

Bei mir kommt Trauer, denn wenn ich es tagsüber nicht vors Haus geschafft habe, schaffe ich es – meistens - erst recht nicht in die dunkle Nacht hinaus.










(24.10.2019)










©Peter Alois Rumpf,  Oktober 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


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