1307 Kaka Peter
Manchmal mache ich mir Gedanken und Vorwürfe, daß ich fast
täglich am Morgen so um sechs bis sieben Uhr aufwache, dann aber erst um
frühestens neun Uhr dreißig aufstehe, oft noch später, das kann sich bis Mittag
hinziehen.
Heute jedoch habe ich mir gedacht: nein, das ist für mich so
erholsam, zwischen Wachen und Träumen dahinzudösen (die Träume kann ich oft gut
erinnern), die schlafende oder schnurrende Katze bei mir, ihre Wärme und ihr
Gewicht spürend, von nebenan und von unten (da ich einen Stock höher residiere,
ergibt sich das so) höre ich zuerst die üblichen Morgenaktivitäten der Familie
(ich würde nur das Badezimmer blockieren und in der engen Küche unten nerven
und Hektik und Stress erhöhen) und fühle mich da heroben ein wenig wie ein
stiller, aus dem unsichtbaren Geschehen segnender Schutzpatron, das Totemtier
der Familie bei mir; dann kommt die Phase der schönen, allererholsamsten Stille
(die Tageskinder sind mit ihrer Tagesmutter im Park). Ab halb zehn höre ich sie
dann die Stiegen zu unserer Wohnung heraufkommen – redend, singend, schreiend,
jauchzend – also lebendig – da werde ich dann richtig wach und manchmal ist das
der Zeitpunkt, an dem ich aufstehe und mir nach der Morgentoilette unten in der
Küche das Frühstück bereite. Manchmal aber nicht, wie heute, wo ich mit der
Katze liegen bleibe, sie streichle, die Dialoge, Spiele, Diskussionen,
Verhandlungen, Streitereien der Tageskinder und damit ihre Lebendigkeit mit
allem, was dazu gehört, und ihr herzerfrischendes, tapferes, tägliches Wachsen
und Entfalten (ja, ja, ich weiß schon: nicht ihre Lernprozesse sind tapfer,
sondern die Kinder) mitbekomme und wie ein Hörspielhörer belausche und daran
offensichtlich genese. Einerseits. (Da fällt mir erst jetzt auf: zur Zeit
testen die Tageskinder „böse“ Wörter aus und so kann es sein, daß, wenn ich
hinunterkomme, sie oder einige von ihnen mich mit Begeisterung und schelmisch
leuchtenden Augen mit „Kaka Peter!“ begrüßen oder sich untereinander „blödes
Arschloch!“ titulieren – das paßt doch ausgezeichnet zum Thema meiner letzten
Texte! Ob ich von ihnen lerne und „heimlich“ in meiner Seele mit ihnen
mitspiele oder mit wachse?) Das war einerseits.
Andrerseits fühle ich mich wieder wie der segnende
Schutzpatron, der versucht, im unsichtbaren, aber tragenden Bereich des
Geschehens das Gleichgewicht desselben zu halten und darüber schwebend
wohlwollend zu beschützen.
Gut, das klingt einigermaßen nach Größenwahn, wie ich mich
da in die Liebe-Gott-Rolle phantasiere und so maßlos meine Kräfte überschätze;
aber wer weiß? Vielleicht ist ein Körnchen Wahres daran? Nüchtern betrachtet
muß ich mich natürlich fragen, ob meine Seele und mein Geist dafür wirklich
rein, lauter und gesund genug sind.
Um das Ganze ordentlich zu entmystifizieren und meiner
Selbsterhöhung den Aufschwung abzudrehen sei prosaisch angemerkt, daß es
irgendwann und unweigerlich der Harndrang ist, der mich aus dem Bett treibt.
Ja und diese Morgenphase ist - für meine regelmäßigen
Leserinnen verständlich - natürlich die Entstehungszeit der meisten meiner
Texte und somit etwas wie klandestine Arbeitszeit. (Sorry! Ich liebe halt
schräge und abseitige Wörter, hier aus dem Kirchenrecht; genauerhin: dem
kirchlichen Eherecht. So führten zum Beispiel Kaiser Franz Joseph und Katharina
Schratt eine kirchenrechtlich einwandfreie klandestine Ehe.)
Aber die Tatsache der klandestinen Arbeitszeit scheint
offensichtlich auch meiner seit ihrem Anbeginn an irritierten Seele verborgen
geblieben zu sein.
(11.4.2019)
©Peter Alois Rumpf
April 2019
peteraloisrumpf@gmail.com
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