974 Fußsohlen
In die Fremde aufgewacht. Die Wörter sind noch nicht
vertraut. FFFFFrrrremmde – wie eigenartig das klingt! Bin ich hier richtig?
Habe ich den falschen Ausgang erwischt? Irgendetwas weiß ich noch aus der
vorigen Welt, aber weiß es nicht mehr. Die Töne und Geräusche hier sind ganz
eigenartig und scheinen aus den falschen Richtungen zu kommen. Eine Unruhe hat
mich gleich erfasst und ich bin wachsam, aber worauf, wogegen? Die Eindrücke
narren mich. Wird irgendetwas vorbereitet? Eine Explosion zum Beispiel? Oder
ein unerwarteter Vulkanausbruch, genau hier? Ich bin alarmiert, stehe jedoch
ganz ohne Waffen da. Der Gegner oder was das ist, ist unsichtbar und unerkannt.
Ich spüre den Druck meiner Fußsohlen auf der Matratze, sowie
deren weichen Gegendruck. Diese Sinneswahrnehmung könnte echt sein. Ich
verlasse mich auf sie. Die alte Welt oder wie immer das heißt, wo ich gerade
vorhin noch war, hat mich noch nicht freigegeben. Fußsohlen. Ich konzentriere
mich aufs Fußsohlengefühl (Ich empfinde das … ah, was wollte ich gerade für
einen Scheiß schreiben!) Ich höre schon die Polizeisirene. Sie entfernt sich
aber und klingt immer elegischer und melancholischer. Verdammt! Und zum Teufel!
Was ist hier los?
Jetzt ist es plötzlich still und die Unruhe rundherum hat
für einen Moment ausgesetzt. Für wen oder was halten die eine Gedenkminute ab?
Kommt jetzt der Anpfiff? Ich warte. Es geschieht nichts.
Fußsohlen!, sage ich zu mir, Fußsohlen! Mit meiner
Aufmerksamkeit steigert sich der Druck dort enorm, bleibt aber trotzdem weich.
Dennoch verstehe ich nicht, wie ich den gewaltigen Fußsohlendruck aushalten
kann; als wären meine Füße viele Kilometer unter dem Meer, als ragten sie … ja,
wohin? Und von wo heraus? Ich werde mir meiner Anatomie unsicher. Vielleicht
ist diese Anatomie nur ein abstraktes, mickriges Gedanken- und Leergebäude, von
peinlichen Menschengehirnen ausgedacht, zur Eitelkeit ihrer Erfinder und
Institutsmitglieder, und ihre Ergebnisse sind Schall und Rauch und es gibt sie
in Wirklichkeit nicht. Sozusagen gebäudeinterne Gewitter.
Jetzt kommt der Wind. Oder habe ich mich getäuscht und es
war ein fernes, anfahrendes Auto? Um mein Selbst zu retten, achte ich wieder
auf meine Fußsohlen, um mich irgendwo zu verankern.
Oh! Jetzt höre ich die Tageskinder die Stiegen heraufkommen.
Ich bin erleichtert! Ihre Rufe, ihre Schreie, ihr Stiegenhaussingsang - der
Hall im Stiegenhaus muß wieder und wieder getestet und genossen werden - das
hört sich nach ganz normalem, irdischem, nach fröhlichem Leben an.
Ich gehe zu ihnen hinunter frühstücken.
(12.6.2018)
©Peter Alois Rumpf Juni
2018 peteraloisrumpf@gmail.com
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