Dienstag, 12. Juni 2018

974 Fußsohlen


In die Fremde aufgewacht. Die Wörter sind noch nicht vertraut. FFFFFrrrremmde – wie eigenartig das klingt! Bin ich hier richtig? Habe ich den falschen Ausgang erwischt? Irgendetwas weiß ich noch aus der vorigen Welt, aber weiß es nicht mehr. Die Töne und Geräusche hier sind ganz eigenartig und scheinen aus den falschen Richtungen zu kommen. Eine Unruhe hat mich gleich erfasst und ich bin wachsam, aber worauf, wogegen? Die Eindrücke narren mich. Wird irgendetwas vorbereitet? Eine Explosion zum Beispiel? Oder ein unerwarteter Vulkanausbruch, genau hier? Ich bin alarmiert, stehe jedoch ganz ohne Waffen da. Der Gegner oder was das ist, ist unsichtbar und unerkannt.

Ich spüre den Druck meiner Fußsohlen auf der Matratze, sowie deren weichen Gegendruck. Diese Sinneswahrnehmung könnte echt sein. Ich verlasse mich auf sie. Die alte Welt oder wie immer das heißt, wo ich gerade vorhin noch war, hat mich noch nicht freigegeben. Fußsohlen. Ich konzentriere mich aufs Fußsohlengefühl (Ich empfinde das … ah, was wollte ich gerade für einen Scheiß schreiben!) Ich höre schon die Polizeisirene. Sie entfernt sich aber und klingt immer elegischer und melancholischer. Verdammt! Und zum Teufel! Was ist hier los?

Jetzt ist es plötzlich still und die Unruhe rundherum hat für einen Moment ausgesetzt. Für wen oder was halten die eine Gedenkminute ab? Kommt jetzt der Anpfiff? Ich warte. Es geschieht nichts.
Fußsohlen!, sage ich zu mir, Fußsohlen! Mit meiner Aufmerksamkeit steigert sich der Druck dort enorm, bleibt aber trotzdem weich. Dennoch verstehe ich nicht, wie ich den gewaltigen Fußsohlendruck aushalten kann; als wären meine Füße viele Kilometer unter dem Meer, als ragten sie … ja, wohin? Und von wo heraus? Ich werde mir meiner Anatomie unsicher. Vielleicht ist diese Anatomie nur ein abstraktes, mickriges Gedanken- und Leergebäude, von peinlichen Menschengehirnen ausgedacht, zur Eitelkeit ihrer Erfinder und Institutsmitglieder, und ihre Ergebnisse sind Schall und Rauch und es gibt sie in Wirklichkeit nicht. Sozusagen gebäudeinterne Gewitter.

Jetzt kommt der Wind. Oder habe ich mich getäuscht und es war ein fernes, anfahrendes Auto? Um mein Selbst zu retten, achte ich wieder auf meine Fußsohlen, um mich irgendwo zu verankern.
Oh! Jetzt höre ich die Tageskinder die Stiegen heraufkommen. Ich bin erleichtert! Ihre Rufe, ihre Schreie, ihr Stiegenhaussingsang - der Hall im Stiegenhaus muß wieder und wieder getestet und genossen werden - das hört sich nach ganz normalem, irdischem, nach fröhlichem Leben an.

Ich gehe zu ihnen hinunter frühstücken.








(12.6.2018)










©Peter Alois Rumpf    Juni 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]

<< Startseite