Mittwoch, 25. April 2018

929 Mein Notizbuch ein Meret-Oppenheim-Objekt


Ich wache auf und die Angst hockt schon da. Dabei gibt es heute nichts, wovor ich mich fürchten müßte: keine Arbeit, keine Amtswege, keine Arztbesuche.

„Liebe Angst, komm! Setz' dich zu mir. Erzähle, rede, machen wir es uns gemütlich. Wie geht es dir?“
Nichts. Ein leichtes Würgen im Hals.

(Ich sehe, ich habe vergessen, mein Radio wieder an den Stromkreis anzustecken.) (Die Katze schnurrt und will gestreichelt werden und überläßt mir dafür nicht wenige ihrer Haare aus ihrem Fell. Mein Notizbuch ein Meret-Oppenheim-Objekt.)

„Also, Angst, was ist mit dir?“
„…“
„Habe ich mich hinweggeblödelt?“

Nein, sie ist noch da, wenn auch kleiner. Geredet hat sie nicht. Jedoch frißt sie noch in meinem Gedärm herum.

Ich versuch nocheinmal, mich auf meine Angst zu konzentrieren, sie zu spüren, sie zu begreifen und ihre Botschaft zu verstehen.

Sie entzieht sich. Sie ist da, aber von Angesicht zu Angesicht scheu wie ein ängstliches Reh. Sie schaut mich nur an, aber verweigert jedes Wort. Dafür schleicht jetzt die Übelkeit heran.

Kann es sein, daß nichts im Zentrum der Angst steht? Oder das Nichts? Oder der blanke Nihilismus?
Nichts hat dich gezeugt? Das Nichts hat dich gezeugt? Nihilismus hat dich gezeugt?
Nichts hat dich ins Leben geworfen? Das Nichts hat dich ins Leben geworfen? Der Nihilismus hat dich ins Leben geworfen?
Wie klingt das? Selbst wenn man das Pathos abzieht noch einigermaßen verkrampft.


Dreieinhalb Stunden später. Ich liege immer noch im Bett und bin meiner Angst auf der Spur, auch wenn ich die Fährte nicht finde. Was mir auffällt: ich liege am Rücken mit überschlagenen Füßen (wie Jesus am Kreuz), die Arme habe ich jedoch angezogen und auf meiner Brust - die Hände überkreuzt - abgelegt. So liege ich da, rühre mich nicht, falle von Zeit zu Zeit in Traum und Schlaf, erwache wieder so halb, höre die Tageskinder zurückkommen und dann wie sie spielen, rufen, reden und schreien...     Die Angst wird größer, die Angst wird kleiner …

Vielleicht redet meine Angst nicht, weil sie noch ein kleines Baby ist, lange bevor es sprechen lernen wird.








(25.4.2018)











©Peter Alois Rumpf    April 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

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