923 Meine Abenteuer sind im Kopf
Vor mir ein 19.Jahrhundert-“Tempel“ (mein Gott! Jetzt fängt
mir fast schon die Architektur aus diesem Jahrhundert mit ihren aufgepickten, industriellen
Ornamentelementen an zu gefallen!) hinter mir der Bärlauch. Die Vögel singen
munter drauflos (ich weiß, so unbedarft und unschuldig ist das nicht) und keine
internen Sirenen in meinen Ohren. Das unbegreiflich frische, helle, zarte Grün
des sonnigen Frühlingstages – Frühling! Frühling ist es just jetzt! Bis zum
heutigen Tag habe ich es selten
beachtet – ist immer wieder ein Wunder.
Der Bärlauch hinter mir trägt seine Blütenknospen, einzelne
sind der Masse voraus und blühen schon zaghaft. Kindergeschrei kommt über die
Leiten herüber und von unten, vom Talgrund. Ich atme auf. Ein Vogel pfeift ganz
nah, als würde er mit etwas zurufen – es muß ja nichts mysteriöses sein, es
könnte ja auch heißen: „geh weg! Du sitzt mir zu nahe am Futter!“
Eine Biene saust im Zickzackkurs vorbei, ein Mann im
Tempelchen schneuzt sich laut und deutlich. Eine Nebelkrähe kommt angehüpft und
nähert sich dem Futterplatz. Eine Meise versucht es auch und flüchtet wieder.
Ein Specht ruft, klopft jedoch nicht. Ein Kuckuck (Sonne-Uranus) wäre nicht
schlecht, mein Geld(Sonne-Uranus)börsel hätt' ich dabei. Noch zu früh im Jahr.
Ich werde jetzt aus der Natur (naja) in das Tempelchen
schreiten, denn nun ist es menschenleer.
Hier ist es kühler und ich schaue in den Wald hinauf (schätze,
ich schaue ungefähr nach Süden). Links durchs Fenster sehe ich einen Steiniglu.
Ein Entenpaar läuft vorbei: sie voran, er hinterdrein. Ach ja, unten gibt es
einen Teich. Er paßt auf, während sie frißt. An den Innenwänden des
„Tempelchen“ sind viele Herzen gezeichnet, Namen, Telefonnummern und
verschiedene Botschaften geschrieben
(Eine schöne Glocke schlägt zur halben Stunde)
geschrieben: „Scheiß auf ...“ ich kann's nicht entziffern;
„und das ist cool“ unter irgendwas mit „schwul“; „mehr Marx“ und Hammer und
Sichel und „Smoke Weed every Day“ (deutsche Großschreibung) und bei einer
Telefonnummer: „Die Nummer ist nur für süsse Jungs“.
Ich glaube, ich gehe wieder raus; schließlich bin ich nicht
süß und schon recht alt.
Ein Eichkatzerl noch im Winterpelz saust den Baum hinauf.
Die Enten haben sich im Bärlauch versteckt, nur er hebt manchmal seinen Kopf
über die Blätter und schaut aufmerksam herum. Die Feuerwanzen ziehen sich schon
aneinandergehängt über den Boden; auf dem asphaltierten Weg (das verlassen der
Wege ist verboten) gibt es viele zertretende und zerquetschte. Ce la vie! (!)
(nochmals zur Bekräftigung: (!))
Die schöne Glocke schlägt dreiviertel. Nun, es ist keine
Kunst auszurechnen, daß mir in fünfzehn Minuten die (volle) Stunde schlägt.
Da schau her! Schon wieder kommt der Wind von rechts und
will mir umblättern, obwohl die Seite noch nicht vollgeschrieben ist.
Vielleicht gefällt ihm nicht, was ich schreibe (zu fad! Zu wenig Drive!) oder
er will mir helfen und ist dabei übereifrig. Mein Blick geht jetzt auf die
Waldhügel und Weinberge am Horizont hinter dem gegenüberliegenden Hang. Dann
zurück auf den Boden und die tanzenden Schatten.
Der Wind, immer erstaunlich, wie der angekräuselt kommt;
zuerst bewegt er ein paar Zweige, dann die Grashalme, dann ist er da und will
mir die Seite umblättern. Dann zieht er sich zurück und schaukelt am Hang unten
die jungen Bäume. Dann fängt er das Spiel wieder von einer anderen Stelle aus
an.
Ich geh jetzt wieder weiter.
Ich sitze nun im Tal herunten und schaue die sonnige Leiten
hinauf zum Wald, an dessen Rand ich vorhin gesessen bin. Vage Erinnerungen an
die intensive Frühlingsfreude der Kindheit. (Nur nicht nachweinen!)
Ich nehme das Grün noch einmal mit Absicht auf und gehe
dann. Für heute ist es genug.
(18.4.2018)
©Peter Alois Rumpf April
2018 peteraloisrumpf@gmail.com
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