860 Ich bin ruhig
Ich bin ruhig. Gerade vorhin noch ist eine zuckende
Aggression durch mich hindurch gerast und hat mich aufgeschreckt, aber jetzt
bin ich ruhig. Im Oberkiefer spüre ich ein Ziehen. In der linken Ferse sticht
ständig etwas. Mein Hintern ist vom vielen Sitzen schon etwas mitgenommen. Ich
horche in mich hinein und schaue darauf, ganz ruhig zu werden. Was melden die
verschiedenen Stellen und Zellen? Mein Atem geht ruhig und flach. Nur ab und
zu, so wie jetzt, wenn ich auf ihn achte, setzt sich ganz von selbst ein tiefer
Atemzug durch, der schon den Charakter eines Seufzers annimmt. Ich spüre, daß
da einiges los ist, aber kann das ganze Chaos noch nicht erfassen. Wieder dehnt
ein Seufzer meinen Brustkorb so weit es nur geht und drückt endlich auch das
Zwerchfell nach unten. Hände und Finger fühle ich fast am deutlichsten, nur die
an Bett und Pölster aufliegenden Körperflächen sind präsenter.
Jetzt stelle ich eine starke, einschnürende Spannung über
dem Brustkorb fest, gegen die wieder ein tiefer Atemzug andrückt („Heinrich,
der Wagen bricht …“). Das Kreuz ist immer eine schmerzmarkierte Stelle, aber im
Moment in dieser Haltung friedlich. Dort, wo ich meine Aufmerksamkeit hinlenke,
spüre ich fast immer etwas, sei es ein Kribbeln, ein Zucken, leichte Stiche.
Den Kopf habe ich kurz ein wenig vorgebeugt und sofort ist ein kleines
Warnsignal vom Kopf über das Rückgrat ins Kreuz geschossen. Jetzt höre ich
nicht bloß das übliche, kaum mehr erwähnte Surren – stets präsent, wenn ich die
Aufmerksamkeit hinwende – sondern auch einen Druck, besonders im linken Ohr.
Fast so, als würde sich die Luft dort drinnen verfestigen.
Das Ziehen im Oberkiefer ist immer noch da; ein Gefühl, als
würde permanent irgendetwas aus dieser Region abgesaugt werden. Ein leichtes
Vibrieren kommt den Rücken herauf und wird besonders an Hinterkopf und
Schädeldecke deutlich. Jetzt erst nehme ich die durch die Nase ein- und
ausströmende Luft wahr. Meine Ohren scheinen sich zu öffnen und sich in
Hörbereitschaft regelrecht auszudehnen. Das Surren gewinnt im rechten Ohr
einigermaßen an Schärfe und um meine Augen breitet sich Müdigkeit aus.
Irgendetwas Körperloses arbeitet wie massierend an meinem Nacken herum mit Ausstrahlungen
tiefer hinunter. Ein bißchen könnte es sein, daß ich mein Energiefeld ahne.
Vielleicht. Die Augen fallen mir immer öfter zu. Der Wecker – ich merke es erst
jetzt – stößt ziemlich heftige Wellenschläge gegen meine Masse. Geräusche
im Lichtschacht draußen lassen ganz kleine, aber heftige
Angstwellen/Angstkugeln in meinem Bauch hin und her, einmal nach links und dann
nach rechts laufen/rollen ( - diese Entscheidung verschiebe ich auf morgen).
Kurz bin ich aus meinem Versinken herausgerissen und nach oben in die Wachheit
geschleudert.
Die Augen bleiben nun schon länger geschlossen und mein Kopf
fällt immer wieder nach links.
Ja, es ist Zeit. Die Muskeln meiner Arschbacken fangen an
wehzutun und meine angezogenen Beine befällt eine Starre. Im Hirn bildet sich
der verschwommene Gedanke: ausstrecken!
Ich lege mich flach auf den Rücken und die veränderte
Haltung lockert meine verspannten Muskel und das ohne Polster hingebettete
Haupt läßt meine verkrümmte Wirbelsäule ein wenig strecken und den Brustkorb
dehnen und öffnen. Ja, es ist wirklich Zeit zu schlafen.
Als ich mich nach dem Notieren wieder flachlege, mache ich
eine ungeschickte Bewegung und plötzlich fährt wie der Blitz der Schmerz ins
Kreuz und bildet dort einen brennenden Knoten, der sich nur langsam auflöst.
(11./12.1.2018)
©Peter Alois Rumpf Jänner
2018 peteraloisrumpf@gmail.com
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