644 Spruch des Herrn!
Es ist zu früh zum Aufstehen. Ich liege schlaflos und das
Ticken des Weckers schlägt nach mir. Nicht im Ernst und nicht im Zorn, eher so,
wie man in gespielter Aggressivität jemanden freundschaftlich auf die Schulter
schlägt. Ganz sicher bin ich mir jedoch der Freundschaft des Weckers nicht.
Mein Herz ist unruhig, Sorgen gehen mir im Kopf herum.
Wieder und wieder versuche ich meine Lebensbilanz zu ziehen; und wie ich auch
herumtue, die Zahlen und Fakten – losgerissen, wie sie sind – sprechen gegen
mich. Das wäre mir noch einigermaßen egal, aber dies hat ja lebendige
Auswirkungen.
Ah! Jetzt hat der Wecker ausgesetzt und für einen Moment
kein Ticken zustandegebracht.
Ich höre in meinem Inneren immer Alpha! Alpha! Was soll das
mit mir zu tun haben? Gar nichts! Ich bin ein Gehilfe – behaupte ich mal.
Meine lebenslange Verzweiflung versucht wieder nach mir zu
greifen; ich halte tapfer und erfolglos dagegen. Manchmal falle ich ihr beinahe
in die Arme, so vertraut ist sie mir. Das Stockholm-Syndrom.
In letzter Zeit schleicht sich immer öfter der Gedanke ein,
nicht mehr kämpfen zu wollen. Es ist vollbracht. Mehr kommt nicht mehr; mehr
ist es nicht. Das wäre dann nur mehr ein trauriges Warten auf den Tod. Ich habe
mein ganzes Leben auf Erlösung gewartet, die ich mir aber immer als Aufblühen
vorgestellt habe, nicht als Absterben. Meine arme, gequälte Seele! Du wolltest
ja auch bloß aufleben und warst so verschreckt. Wie ein scheues Tier, das sich vor
den Freßfeinden versteckt hat. Jetzt ist es nicht mehr allzuweit zum Selbstmitleid,
aber ich versuche, nicht hineinzukippen. Der Kapitän verläßt nicht sein
sinkendes Schiff. Wie so oft sind es Sprüche („Spruch der Herrn!“), an die ich
mich klammere.
Ich muß über dieses Pathos lachen! Glaubwürdig ist es nicht.
Der Übergang zur Komödie ist gar nicht so schwer. Mit diesem Lachen will ich
nun aufhören, auch wenn das egoistisch ist.
(24.3.2017)
©Peter Alois Rumpf
März 2017
peteraloisrumpf@gmail.com
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