Donnerstag, 16. März 2017

633 Mister Krabs

Verschoben. Meine Gestalt ist verschoben. Mein Hals ist größer und mehr ins Zentrum gerückt. Die Augen ebenfalls größer und auf den Kopf oben hinaufgerutscht. So fühlt es sich von innen an. Meine Gestalt ist wie durch einen inneren Felssturz auseinandergebrochen und jetzt ineinander verschoben. Nur daß sich die Verschiebungen nicht unbedingt an die irdische Schwerkraft halten. Es ist eine andere Schwerkraft, die von allen Seiten gleichzeitig zieht und gleichzeitig drückt.
Vom aufgewirbelten Staub ist mein Blick getrübt; Schlamm und Wasser drohen hintennach zu kommen. Ich fühle mich eigenartig an. Was wird da noch? Wie sehe ich aus? Wie eine Krabbe? Mister Krabs? … Nun fühlt sich mein Kopf groß und schwammig an und nach unten gerutscht, er nimmt den Körperbereich ein, den man normalerweise Rumpf nennt. Diese Ausweitung geht jedoch auf seine Substanz, die poröser geworden ist.
Jetzt legt sich der Schwerpunkt immer mehr an die Fußsohlen, wechselt sich jedoch mit den Handflächen ab.
Das Gefühl der Fremdheit flaut allmählich ab; ich materialisiere mich immer deutlicher in meiner normalen Gestalt. Die Option überzuwechseln ist aber noch da, obwohl sie schwächer wird.

Manchmal denke ich, ich lebe nur noch aus Gehorsam hier. Keine Ahnung wem gegenüber. Sinnvolle Visionen und Ziele sind mir abhanden gekommen; das In-sich-Hineinhorchen bringt nichts. Ich höre nichts. (Oder ich verstehe nichts.) Ein paar desillusionierte Illusionen geistern noch herum und manchmal tue ich so, als würde ich ihnen glauben.

Jetzt fühle ich mich hohl an, nur mein Herz hängt an einem dünnen Faden im hohlen Innenraum, einer halbwegs leer geräumten Rumpelkammer. Oder wie eine fleischliche Glocke in einer ovalen Glockenstube, wenig Zeug liegt herum, ein paar Verstrebungen und Stützen laufen durch den hohlen Raum.
Dieses Empfinden, dieses Bild verflüchtigt sich wieder. Und jetzt scheint es meine Lesebrille zu sein, die diese amorphe Masse von außen zusammenhält. An den Stellen, wo sie auf den Klumpen aufliegt und aufdrückt, kristallisiert sich die herumirrende Aufmerksamkeit.

Ich glaube, ich werde diesem Spuk bald ein Ende bereiten; irgendwo in mir regt sich Ungehaltenheit mir einem deutlichen Anflug von Zorn. Eine Kraft will reinen Tisch machen. Noch weiß ich nicht, ob mir diese Kraft fremd oder vertraut ist, aber ich spüre, ich werde ihr nachgeben.

Es kommt anders als erwartet. Ich schäle mich einfach aus all dem heraus.

Ich wäre ein darwinistischer Gott; einfach alles ausstreuen, aussäen, und dann kaltblütig, aber mit voyeuristischem Eifer zuschauen, wie sich alles so abstrudelt und abkämpft und hochzukommen versucht. Helfend eingreifen würde ich nicht, aber manchmal den Finger in die Erde bohren um zu schauen, was passiert, nur weil ich ungeduldig und neugierig und letztlich auch überfordert bin. Wer setzt sich durch? Wer geht unter? Und jetzt, wo ich herumgezupft habe? Der Kampf aller gegen alle um Platz, Licht, Nahrung. Nicht wie ein liebender, sorgfältiger Gärtner, sondern wie ein empathieloser Kretin, ein Egomane, der seine naturwissenschaftlichen Experimente durchführt und es sich dabei nicht verkneifen kann, dazwischenzufunken und sadistisch herumzuspielen. Ach! Gottseidank bin ich kein Gott, sondern bloß ein Narr, der seine Blumenkisterl am Fensterbrett betrachtet und gießt.

So, jetzt machen wir nocheinmal reinen Tisch! Und Schluß! Aus! Ende der Durchsage!





(16.3.2017)















©Peter Alois Rumpf    März 2017     peteraloisrumpf@gmail.com

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