Dienstag, 10. Januar 2017

564 Ich sage: so schaut es für mich aus

Der Wecker tickt und ich halte mich an diesem Rhythmus wie an ein Geländer fest. Den Kopf nach links geneigt warte ich auf Erleuchtung. Ich drehe mich ganz nach links, um meinen Tod zu fragen. Aber ich spüre ihn nicht, ich höre ihn nicht. Keine Antwort. Ich weiß, er müßte sagen: „Noch habe ich dich nicht berührt!“(C.C.)  Aber das denke ich nur, ich spüre es nicht; ich brabbel bloß Gelesenes nach. Ich komme nicht an den Lebenskern. Ich finde ihn nicht. Kontakt schon längst, sehr früh verloren.

Ja! Jetzt ein tiefer, seufzender Atemzug; jetzt habe ich ein wenig gespürt. Trauer und Schmerz sind angeklungen. Wehmut. Gleich rattert wieder mein Gedankenapparat und ich verliere das Empfinden. Ich versuche, mich zurückzuholen und horche wieder auf das Weckerticken. Es wird immer lauter. Und größer. Und zwar das Ticken selber als auch die Abstände dazwischen. Es öffnet sich und füllt immer mehr Raum. Begleitet vom Surren in den Ohren, wie mir erst jetzt auffällt.

Meine Bilderwand ist mir ganz fremd; ich weiß im Moment nicht, warum ich das alles aufgehängt habe. Ich strenge mich an, mich zu erinnern, aber ich verliere den Faden. Ich erinnere mich nur, daß das alles für mich wichtig war. Jetzt spüre ich es nicht („sprachlos und kalt“ F.H.). Wieder schweife ich ab in Gedanken und Phantasien (Als Volksschulkind hatte ich mir das in zähem Kampf abgewöhnt.) Ich versuche mich vor irgendwelchen ausgedachten, aber der Wirklichkeit entnommenen Figuren zu erklären und zu verteidigen und ich werde angehört. Das Angehört-Werden ist Phantasie, das innere Tribunal Wirklichkeit. Wieder zurück zum Wecker.

Wie tapfer, klug und instinktiv richtig ich damals meinen zähen Kampf gegen das Tagträumen geführt habe! Geduldig, ohne Fanatismus, ohne Selbstvorwürfe, einfach mich jedesmal wieder herausgeholt, wenn ich bemerkt habe, daß ich abgeglitten bin. Es ist sinnlos, aber ich wünschte, ich hätte diesen Weg weitergehen können und wäre darin nicht so gestört worden. Stellen Sie sich eine Welt vor, in der das als Begabung erkannt und gefördert wird. Der Gedanke, was damals für ein Potential in mir steckte und sich nicht verwirklichen konnte, macht mich ganz irre. Ich kann das schwer ertragen. Nur melancholische Resignation federt den Schmerz etwas ab. Es stellt sich für mich so dar, daß ich den Kampf verloren habe; keine Aussicht darauf, das Steuer noch einmal herumzureißen. (Ich sage: so schaut es für mich aus. Ich sage nicht, daß das stimmt.) Lächelnd das eigene Scheitern akzeptieren. Ich staune ein wenig, daß ich das bisher überlebt habe. Ich drehe mich wieder nach links um, aber ich bin zu grob, zu unsensibel, zu verschlossen.

Wieder ein Seufzer, der mich ein wenig spüren läßt, daß in mir noch etwas lebt.





(9./10.1.17)









 ©Peter Alois Rumpf    Jänner 2017     peteraloisrumpf@gmail.com

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