564 Ich sage: so schaut es für mich aus
Der Wecker tickt und ich halte mich an diesem Rhythmus wie
an ein Geländer fest. Den Kopf nach links geneigt warte ich auf Erleuchtung.
Ich drehe mich ganz nach links, um meinen Tod zu fragen. Aber ich spüre ihn
nicht, ich höre ihn nicht. Keine Antwort. Ich weiß, er müßte sagen: „Noch habe
ich dich nicht berührt!“(C.C.) Aber das
denke ich nur, ich spüre es nicht; ich brabbel bloß Gelesenes nach. Ich komme
nicht an den Lebenskern. Ich finde ihn nicht. Kontakt schon längst, sehr früh
verloren.
Ja! Jetzt ein tiefer, seufzender Atemzug; jetzt habe ich ein
wenig gespürt. Trauer und Schmerz sind angeklungen. Wehmut. Gleich rattert
wieder mein Gedankenapparat und ich verliere das Empfinden. Ich versuche, mich
zurückzuholen und horche wieder auf das Weckerticken. Es wird immer lauter. Und
größer. Und zwar das Ticken selber als auch die Abstände dazwischen. Es öffnet
sich und füllt immer mehr Raum. Begleitet vom Surren in den Ohren, wie mir erst
jetzt auffällt.
Meine Bilderwand ist mir ganz fremd; ich weiß im Moment
nicht, warum ich das alles aufgehängt habe. Ich strenge mich an, mich zu
erinnern, aber ich verliere den Faden. Ich erinnere mich nur, daß das alles für
mich wichtig war. Jetzt spüre ich es nicht („sprachlos und kalt“ F.H.). Wieder
schweife ich ab in Gedanken und Phantasien (Als Volksschulkind hatte ich mir
das in zähem Kampf abgewöhnt.) Ich versuche mich vor irgendwelchen
ausgedachten, aber der Wirklichkeit entnommenen Figuren zu erklären und zu
verteidigen und ich werde angehört. Das Angehört-Werden ist Phantasie, das
innere Tribunal Wirklichkeit. Wieder zurück zum Wecker.
Wie tapfer, klug und instinktiv richtig ich damals meinen
zähen Kampf gegen das Tagträumen geführt habe! Geduldig, ohne Fanatismus, ohne
Selbstvorwürfe, einfach mich jedesmal wieder herausgeholt, wenn ich bemerkt
habe, daß ich abgeglitten bin. Es ist sinnlos, aber ich wünschte, ich hätte
diesen Weg weitergehen können und wäre darin nicht so gestört worden. Stellen
Sie sich eine Welt vor, in der das als Begabung erkannt und gefördert wird. Der
Gedanke, was damals für ein Potential in mir steckte und sich nicht
verwirklichen konnte, macht mich ganz irre. Ich kann das schwer ertragen. Nur
melancholische Resignation federt den Schmerz etwas ab. Es stellt sich für mich
so dar, daß ich den Kampf verloren habe; keine Aussicht darauf, das Steuer noch
einmal herumzureißen. (Ich sage: so schaut es für mich aus. Ich sage nicht, daß
das stimmt.) Lächelnd das eigene Scheitern akzeptieren. Ich staune ein wenig,
daß ich das bisher überlebt habe. Ich drehe mich wieder nach links um, aber ich
bin zu grob, zu unsensibel, zu verschlossen.
Wieder ein Seufzer, der mich ein wenig spüren läßt, daß in
mir noch etwas lebt.
(9./10.1.17)
©Peter Alois
Rumpf Jänner 2017 peteraloisrumpf@gmail.com
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