Freitag, 30. Dezember 2016

555 Erste feministische Lehrstunden

Als die ersten Feministinnen in meinem grazerisch – studentischen Umfeld auftauchten; oder richtiger gesagt: als ich in dieses Umfeld eintauchte, einem Umfeld, von den vier, fünf, sechs, sieben Jahre zurückliegenden Achtundsechziger-Revolten geprägt, links, fortschrittlich, emanzipatorisch, fortschrittsgläubig und auch schon skeptisch, ja, da war auch ich voller Illusionen. Eine, die mir heute sehr lächerlich vorkommt, war, daß mein Nicht-ganz-richtig-Mann-Sein, diesen Frauen gegenüber, die ja gegen die Männerdominanz kämpften, ein gewisser Vorteil sei. Schließlich war ich ja kein dominanter Mann. Und die Machos fürchtete ich selber auch. Mit ihrer Gewalttätigkeit, verbal und nonverbal, bin ich nicht zurecht gekommen.

Daß ich kein richtiger Mann respektive Bub sei, habe ich ja wegen meiner Schüchternheit, Dualitätsschwäche und Kampfunfähigkeit meine ganze Kindheit und Jugend herauf als ständiges Mantra gehört.

Man könnte das fast einen geschwisterlichen Zugang nennen, den ich da zu diesen Frauen versuchte, aber verwirrt und verschwommen wie ich war, machte ich mir durchaus auch Hoffnungen, über diese Schiene bei diesen starken Frauen – natürlich auch mehr oder weniger stark – zu landen und der einen oder anderen auch erotisch näher zu kommen. Oh! Das ist eine sehr blöde Mischung! Mein Gott, ich mußte das dann auf eine für mich sehr harte Art lernen, dieses grundlegende Mißverständnis zu durchschauen und zu begreifen.

Zunächst einmal muß festgehalten werden, daß auch ich als „gescheiterter“ Mann diese ganzen Machovorstellungen in mir hatte, sonst hätte ich mich ja ohne ein solches Bild als Vergleich gar nicht als gescheitert definieren können; das heißt, so sehr ich unter diesen Männlichkeitsidealen litt, so sehr hatte ich sie in Wirklichkeit verinnerlicht.

Und auch diese klassischen patriarchalischen Frauenbilder Jungfrau, Mutter, Hure; wenn auch das Mutterbild kälter, rigider, abweisender als in der klassischen überlieferten Dreifaltigkeit war, und viel stärker von emotionaler Distanz geprägt.

Diese frauenfeindliche Dreifaltigkeit wurde mir übrigens viel stärker von der Mutter „gelehrt“ als von meinem Vater. Diese seine Herkunftsfamilie war in den Generationen vorher viel stärker von einem – nennen wir es – slawisch-katholischen Laissez-faire geprägt als die Herkunftsfamilie meiner Mutter. Meine Großmutter väterlicherseits hatte schon vor der Ehe mit meinem Großvater ein Kind aus einer anderen Beziehung; sie selber war die Tochter aus der unehelichen Verbindung ihres Vaters mit seiner Lebensgefährtin. Die konnten nicht heiraten, weil mein Urgroßvater schon verheiratet war, aber er hatte seine Ehe verlassen, als ihn seine Arbeitskollegen darauf aufmerksam machten, daß ihn seine Frau – wenn ich die Erzählungen noch richtig beisammen habe - mit dem Bettgeher betrügt. Bettgeher waren damals Arbeiter, die sich keine eigenen Haushalt leisten konnten und sich deswegen das Bett eines Schichtarbeiters für die Zeit gemietet hatten, wo dieser in der Schicht arbeitete und der Bettgeher dann die jeweilige Gegenschicht machte. Scheiden lassen konnte sich mein Urgroßvater nach damaligem Recht nicht, aber er ging dann halt eine neue, „illegitime“ Beziehung ein, der u.a. meine Großmutter entsprang. Dieser Vorfahre war übrigens ein ein Slowene aus der Untersteiermark (slovenska Štajerska), mir wurde erzählt, ein tief religiöser Mann, der in seiner Jugend eigentlich Priester werden wollte, es aber nach dem damaligen Kirchenrecht als uneheliches Kind nicht durfte.

Diese Abschweifung war nicht unwichtig, um zu zeigen, daß es bei strengen Traditionen durchaus legeren, situationselastischen Umgang mit derselben geben kann und ich meine das positiv und nicht zynisch. (Außerdem ist mir zu erstenmal bewußt geworden, daß es unter meinen Vorfahren schon einen gegeben hat, der so wie ich in seiner Jugend Priester werden wollte und es nicht durfte. Obwohl ich alle Fakten kannte, habe ich diese Parallele noch nie gesehen. Das könnte das Thema einer nächsten Aufstellung werden.)

Um zum Thema zurückzukehren: der rigidere Anteil, auf das Frauenbild bezogen, kam also von meiner Mutter, deren Herkunftsfamilie sehr von - in ländlich-bäuerlichen Dimensionen gedacht -  Großbürgervorstellungen und vom Nationalsozialismus beeinflußt war. Das natürlich auch nicht widerspruchsfrei. Aber es war meine Mutter, die mich, als ich in meiner frühen Jugend einmal wegen einem Mädchen unglücklich dreingeschaut habe, gefragt hat, ob die denn eine Hure sei. Das war es, das sie überall gewittert hat.

Mit dieser unheiligen Frauenbilddreifaltigkeit glaubte auch ich wirklich, wenn eine Frau nicht „vergeben“ ist – also von einem Mann „abgedeckt“, aber „willig“ ist - also auf Jungfräulichkeit keinen Wert legt – dann steht sie allen Männern zur Verfügung und auch ich müßte bei einer solchen eine Chance haben, denn andere Kategorien hatte ich in diesem Modell nicht zur Verfügung. Oh mein Gott! „werch ein illtum!“ (Zitat setzte ich voraus.)(Sei nicht so hochnäsig!)( Also gut: ernst jandl)

Und ich mußte es auf harte Art lernen, daß eine Frau zwar auf Abenteuer aus sein kann, mit dem, mit dem, mit dem dort auch, aber trotzdem nicht mit mir. Auf dem Weg vieler Enttäuschungen (im wahrsten Sinn des Wortes) und Gottseidank war ich so schüchtern und reagierte mit Rückzug – so ein Psychogemenge kann auch explosiv sein. Aber schon lustig! Ein gescheiteter Macho und hat trotzdem noch so viel Machismo in sich! („antrainiert“).

Aber ich habe dazugelernt; durch Erfahrung, durch lesen – ich habe damals viel feministische Literatur studiert, Erfahrungsberichte von Frauen gelesen und damit ihre Wahrnehmungen solcher gesellschaftlicher Regeln und Muster kennengelernt – in unzähligen Diskussionen, ob deklarierte oder zufällig entstandene, ob öffentliche oder mehr noch in kleinen Gruppen am Mensatisch, im privaten Rahmen der Wohngemeinschaft zum Beispiel, ob ich nur zugehört habe, oder gar mitgeredet – ich habe mich dabei von vielen Selbstverständlichkeiten verabschieden müssen, viele „Prachtelemente“ meines mühsamst aufrecht erhaltenen Selbstbildes als Mann als wertlosen Plunder erkennen und über Bord werfen müssen, eines Selbstbildes, das sowieso schon mehr aus Trümmerresten zusammengepickt war, die kaum zusammenhielten.

Es war nicht leicht für mich damals, wenn ich in eine Disco gegangen bin und eine Frau mich angeschnauzt hat, daß solch ein Typ, wie ich es bin, hier überhaupt nichts verloren hat und auf meine erstaunte und hilflose Frage, wieso, die Antwort kam, „ja, schau, genau deswegen! Was fragst so teppert, du Weichei!“ (das war eine normale Disco, kein Hardrockbude.) und viele andere Nadelstiche dieser Art. Was blieb von meinem restpositiven Selbstbild über? Nichts. Gar nichts! Und ich versteh die gute Frau schon! Inzwischen verstehe ich das gut (ich mein, eh schon längst).

Ich muß noch lachen, wenn ich daran denke, wie beim - meines Wissens - ersten Frauenfest in Graz  - natürlich Eintritt nur für Frauen – mir eine Oberfeministin damals – zumindest aus meiner Sicht war sie das – vorher bei uns in der Wohngemeinschaft vorgeschlagen hat, mich dort hin aufs Frauenfest mitzunehmen. Mir war das nicht geheuer, denn trotz all meiner Illusionen und Verdrehtheiten war ich sensibel genug, zu verstehen, daß ich da nichts verloren habe. Aber sie hat mich, ihren braven Schüler in Sachen Feminismus, überredet, mitzukommen. Der Sinn des Ganzen war mir zunächst völlig schleierhaft, aber Nein-Sagen war nicht meine Stärke und so bin ich voller unbehaglicher Gefühle mit.

An der Tür heißt es dann von einer Türsteherin „Eintritt nur für Frauen!“ „Und was machen die Männer da hinten?“ fragt meine Begleiterin. „Die sind von der DSU (oder war es die FÖJ?) und müssen noch etwas in der Druckerei da hinten fertigdrucken. Dann gehen sie weg.“ Meine Begleiterin – kann ich eigentlich nicht sagen, denn ich habe ja sie begleitet – wollte aber weiterverhandeln und hat zur Türwächterin – übrigens eine liebe, sanfte Frau, die mir noch alles erklärt hat, was mir ohnehin schon klar war, daß das eine reine Frauenveranstaltung ist etcetera – die „Nicht-Begleiterin“ hat also auf mich deutend noch zur Türwächterin gesagt, „aber der ist eh harmlos!“ Aha! So verteidigt werden ist wie niedergeschlagen werden! Die Türsteherin hat noch etwas geantwortet wie „für dich vielleicht, aber für eine andere vielleicht nicht!“ Aber ich war froh, daß das überstanden ist, ich den Ort verlassen und erleichtert nach Hause gehen kann (bin ich dann nach Hause gegangen? Egal!), während meine nun Ex-„Begleiterin“ hinein zum Frauenfest ist.

Am nächsten Tag hat sie dann in der WG erzählt – sie war nämlich die Freundin des iranischen Wohngenossen in unserer WG, der einer der zwei Hauptbetreiber dieser Wohngemeinschaft war - daß später dann auf dem Frauenfest – so wie sie es schon vorher erwartet hatte – dann doch sehr wohl Männer aufgetaucht sind und eingelassen wurden, vornehmlich von der GRM unter Führung des revolutionären Obergenossen Alf, der dort wieder seine üblichen großen Reden schwingen und seine Sprüche klopfen konnte, von einem Teil der Frauen angehimmelt. Und sie ergänzte, daß sie das so hat kommen sehen und mich genau deswegen mitgenommen, um den Frauen dort auf dem Fest zu demonstrieren, wie inkonsequent und widersprüchlich sie in ihrem Verhalten gegenüber Männern sind, wenn sie einen harmlosen „Deppen“ - hat sie nicht gesagt – nicht reinlassen, aber den gefährlichen Obergenossen schon, der schon seine Mädels als fünfte Kolonne vorgeschickt hat, auf daß sie ihm die Tore öffnen, unter dem Vorwand, daß es schließlich bloß um eine gemeinsame Plattform gehe, damit die junge Frauenbewegung nicht in Nabelbeschau und ins Unpolitischen abgleite, denn schließlich – worum geht es? Es geht darum, daß etcetera, etcetera, etcetera.

„Aha!“, habe ich mir gedacht, „muß ich mich wegen meiner Rolle da geehrt fühlen?“ Fast habe ich mich gefühlt!

Lange habe ich auch gebraucht, um zu verstehen, daß mein anfänglich vermuteter Vorteil, kein Macho zu sein, so wie ich es damals auffaßte, äußerst fragwürdig ist. Die „geschwisterliche Annäherung“ ist, wenn es ums Erotische geht, unangebracht, erst recht, wenn sich ein Mann einer Frau wie ein Kind nähert. Kein Macho zu sein ist noch überhaupt keine Qualifikation dafür, ein neuer oder besserer Mann zu sein. Aber das führt über diese Zeit und mein Anliegen hier in diesem Text hinaus.

Trotzdem: ich bin diesen Frauen und speziell meiner „Begleiterin“ und WG-Genossin auch heute noch dankbar für die Gespräche, Diskussionen und Erfahrungen damals; sie waren ein wichtiger Anstoß für einen Nachdenk- und Reifungsprozess, der, auch über eine desaströse Männergruppe, die meines Wissens erste in Österreich, wo ich Gründungsmitglied war (Mitglied ist gut!), bei mir zu einem ganz anderen Männerbild geführt hat, das letztlich auf ganz andere Werte und Bilder beruht. Dafür waren aber auch noch – wie bei mir so oft - die Bücher von Castaneda und vor allem seiner Gefährtinnen Florinda Donner-Grau und Taisha Abelar wichtig.

Das alte „Mannsbild“ lauert noch irgendwo in den hinteren Reihen meiner Seele auf Gelegenheiten, nach vorne keifen zu können.






(29./30.12.2016; angeregt durch einen Jugendfilm, den ich mit einer meiner Töchter angeschaut habe.)















 ©Peter Alois Rumpf     Dezember 2016     peteraloisrumpf@gmail.com

1 Kommentare:

Am/um 16. Mai 2019 um 13:26 , Blogger Alice Foster meinte...

Mein Name ist Dr. Ogbidi, ich wurde in einem kleinen Dorf in Afrika geboren, ein würdiger Sohn von Meister Kebbi. Mein Vater hat mir das heilige Geschenk unserer Familie anvertraut, bevor er starb. Seit meinem zehnten Lebensjahr habe ich mich täglich der Erfüllung meiner Pflichten und der Hilfe für alle gewidmet, die zu mir kommen. Aus diesem Grund verstärken meine mächtigen Köpfe mit der Erlaubnis meiner Vorfahren meine Begabung für die des "Heiligen Führers". Deshalb musste ich außerhalb Afrikas und darüber hinaus reisen, um mein Geschenk in den Dienst der Bedürftigen zu stellen. Für den Fall, dass Sie meine Hilfe in folgenden Bereichen benötigen: Liebeszauber, Schwangerschaft und jede andere Art von Hilfe, zögern Sie nicht, mich per E-Mail an ogbidihomeofsolution1@gmail.com oder telefonisch unter / whatsapp zu kontaktieren: +2348052523829
Bis ich endlich meine Pflicht und mein Schicksal erfülle.

 

Kommentar veröffentlichen

Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]

<< Startseite