Mittwoch, 13. November 2024

3862 Mumok

 



Im Mumok. Und jetzt im Café Leopold. Ich war in der Medardo-Rosso-Ausstellung und bin hingerissen. Klimt und Schiele schau ich mir nicht an. Niemals! Aber jetzt im Café Leopold. Der Kaffee ist recht gut und ich habe von meinem Sitzplatz aus einen schönen Überblick im Lokal – und das habe ich gern – und einen Ausblick in alle Räume und sogar hinaus ins Freie – das habe ich auch gern. Die Zeichnungen vom Rosso haben mir so gefallen und so große Lust gemacht, wieder zu zeichnen, „nach der Natur“ sozusagen, Landschaften, Körper – so eine unglaubliche, schmerzhafte Sehnsucht steigt auf, aber ich fürchte, dieser Impuls wird nicht anhalten. Er wird nicht ausreichen, wieder einen Bleistift zum Beispiel in die Hand zu nehmen. (Immer wenn im Hintergrund die Eingangstür zufällt, läuft eine Stoßwelle durch die Rückwand der Bank, auf der ich sitze, und auch – wie ich gerade feststelle: wenn sich wer auf die lange Bank setzt oder auf ihr ruckelt.) Es reicht niemals aus, ich verstehe es selbst nicht, dass ich es einfach nicht kann; ich meine nicht tun kann. Die Hemmung ist zu groß. Nach ein paar Zeichnungen würde meine Hand schon lockerer und geschmeidiger werden. Dass das döbranitische Urteil vor 35 Jahren immer noch so stark ist, kann ich nicht so recht glauben, noch dazu, wo ich inzwischen sehr wohl zwei Phasen der Wiederbetätigung hatte, die aber immer verlaufen sind. Sie haben nicht lange angehalten. Oder kann es sein, dass die Verurteilung des bajuwarischen Affenarsches selbst nachdem ich mit ihm gebrochen habe, untergründig wie ein versteckter Virus, oder ein geheimes Krebsgeschwür weitergearbeitet hat und dann erst recht – da ich geglaubt habe, der Tumor sei schon entfernt – weitergefressen und noch mehr Gewebe zerstört hat? Ich mein: es schaut so aus, als wäre meine Hemmung zu zeichnen stärker denn je.

Nebenbei gesagt: ich habe es richtig genossen, hier im Mumok herumzugehen; schon vom Volkstheater die Stufen, die ja weit und großzügig angelegt sind, hinunter zum Eingang zu gehen, hat meinen Blick geweitet, mein Herz geöffnet und meine Seele erhoben. Allein der großzügige Boulevard, die Weite der „Landschaft“ und das schöne Ambiente. Das haben sie gut gemacht.

Die Musik aus den Boxen hier geht auch, jedenfalls hat sie die richtige, leise Lautstärke. Übrigens: beim Betreten des Lokals habe ich auch gezögert, ob ich hier hereinkommen darf und einfach nur langsam meinen Kaffee trinken ohne zu speisen (das Café im Namen reicht mir heutzutage nicht mehr für das Sicherheitsgefühl, hier zur Mittagszeit bloß Kaffeetrinken zu dürfen). Ich habe daher gleich vorher den Kellner gefragt, ob es okay ist, wenn ich nur einen Kaffee trinke – obwohl offensichtlich genug Platz im Lokal war und ist. Mir ist zum Heulen. Ich will doch auch nur leben und dasein dürfen. So! Satis est! Jetzt halte ich meine Emotionen zusammen und lasse sie nicht ausrinnen.


(13.11.2024)


©Peter Alois Rumpf November 2024 peteraloisrumpf@gmail.com

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]

<< Startseite