3860 Dann wartest hald!
9:16 a.m. Kalt und grau ist die Welt. Selbst im Bett fröstelt mich ein wenig. Der von der auf und wieder zu geworfenen Bettdecke aufgescheuchte Staub schwebt noch immer durch den Lichtkegel der Leselampe. Ein Staubkörnchen hat bei seiner Durchreise nicht nur das Licht mitgenommen, sondern auch Glut, denn es leuchtet plötzlich am Rande meines Gesichtsfeldes auf wie ein aus dem Weltraum in die Erdatmosphäre eingetretenes Objekt. Dabei war seine Bewegungsrichtung rechts hinaus aus dem Gesichtsfeld. Ich entdecke unter dem kurzgeschnittenen Fingernagel meines linken Zeigefingers einen kleinen Schmutz, den ich ohne Werkzeug nicht herausbringe. Ich verschiebe diese Arbeit auf später im Bad. Denn probiere ich es dennoch nochmals, diesmal mit der Ecke eines der Notizbuchblätter und es gelingt sogar halb: der schmutzige Punkt ist jetzt kleiner. Mein Handy düdelt immer wieder, dass es Nachrichten empfangen hat, aber ich bin noch nicht bereit. Eine Botschaft wie „Fürchte dich nicht!“ wäre nicht schlecht (wenn nicht, wartest hald auf Weihnachten – der innere Spötter). Jetzt, wo ich das hergeschrieben habe, habe ich meine Neugier angestachelt und am Handy nachgeschaut: die Backsaison wurde eröffnet. Privat. Unten arbeiten die Tageskinder schon recht fleißig. Oh, meine frankophone Schweizerin im Regal ist endlich wieder runder geworden! Zufällig habe ich das entdeckt. Okay, ganz so zufällig ist das nicht, denn diese Kunstkarte lehnt an der Stelle im Regal, wohin aus meiner Hockposition im Bett der Blick ganz leicht und selbstverständlich hinfallen will. Nach Mali Lošinj, Rettenschoess, auf die Riesneralm und nach Veli Lošinj hinauf muß ich, wenn ich sie anschauen will, den Blick bewußt und mit Absicht anheben und hinlenken.
Durch meine Atemzüge aus dem Bauch – mein Blick ist wieder ganz heruntergesunken – bewegt sich mein auf den aufgestellten Oberschenkel ruhende und an seiner Unterkante an meinem Bauch anliegende Notizbuch rauf und runter und bewegt so sein nach oben auf der über die angezogenen Beine liegende Bettdecke ausgelegte rote Lesezeichenbändchen an genau einer schon ziemlich zerschlissenen Stelle – halb hebt es sich ein wenig, halb verbiegt es sich nach rechts – sodass der Eindruck entsteht, auch das Bändchen würde atmen. Diese Bewegung als Herzschlag auszulegen ginge auch noch.
Ich glaube, heute habe ich fürs erste genug gespielt; ich kann jetzt aufstehen.
(Anmerkung des Autors: Via Facebook angeregt vom Schriftsteller Hermann Schindler, der das propagiert, habe ich mich entschlossen, ab sofort auch in der Schreibweise das umgangssprachlich so ausgesprochene hoid – wie in: es is hoid z’spaat in Schriftsprache mit weichem d zu schreiben, also hald, um es von allen Wörtern, die sich von halten ableiten, klar zu unterscheiden. Nach Peter Wehle kommt dieses hald von gotisch haldis = vielmehr. Und in der Aussprache hat es im Unterschied zu halten eindeutig ein weiches d. Es ist jetzt hald so!)
(12.11.2024)
©Peter Alois Rumpf November 2024 peteraloisrumpf@gmail.com
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