Freitag, 10. Juni 2022

2738 Auf den Tisch geworfene Löffel

 

9:30 a.m. Das Festnetz klingelt und weckt mich auf. Ein nasser, kalter Sommertag. Die Tagis schreien und heulen sich jetzt ins Stiegenhaus; das Leben kehrt zurück. Mein stilleres lehnt in den Pölstern und genießt das langsame, rückfällige Aufwachen. Zur elegischen Verzierung einzelne Regentropfen. Die jedoch werden allmählich mehr. Eines der Kinder weint zornig und erzeugt so Druck auf meinen halbwachen Schläfen. Was ist mit denen drüben? Was macht die gestern Nacht entdeckte Untermieterin? Die von drüben können schon unauffällig in die Alltagswelt verankert sein, vermute ich. Ich ertappe mich beim Einüben einer Lebenslüge. Ein wenig unschlüssig bleibe ich liegen. Jetzt regnet es richtig. Mein Blick auf meine Bilderwelt knickt nach innen und findet die Schwere zwischen den Augen. Dreiäuglein, schläfst du wieder ein? Ganz traurig bin ich jetzt, wo ich an meine Kindheit denke. Und an viel spätere Degradierungen. Gemütlich ist es mir hier nicht mehr, aber immer noch warm unter der Decke. Soll ich in die Tagesaktivitäten flüchten? Eigenartige Geräusche rundum verstärken die Entfremdung. Nein, ich mag noch nicht aufstehen. Verzagtheit etabliert sich zwischen den Augen und bis in die linke Lende hinunter. Das Geräusch auf den Tisch geworfener Löffel unten erschreckt mich fast. Der schöne, blaue Schatten der unaufgedrehten Deckenlampe – soeben entdeckt – beruhigt mich etwas. Ich entkrampfe heute zum dritten Mal meine linke Hand.

 

(10.6.2022)

©Peter Alois Rumpf  Juni 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]

<< Startseite