Montag, 2. August 2021

2358 Zu Besuch bei Sisyphos

 

Ich besuche Sisyphos – die Idioten, die die Trottelbilder im Raum angaffen und fotografieren, würden mich nerven, wenn ich es zuließe. Aber ich lasse es nicht zu! Ich blicke auf den Sisyphos und ignoriere alles rundherum. Mir ist fast zum Weinen (ich war vorher im Untergeschoß und bin durch Arakis Abschiede gegangen). Meine unzulässige, aggressive Vertrottelung der anderen Besucher (auch ich bin nur Gast auf Erden, und wandre …), vermindert meine Trauer und vertreibt das heraufsickernde Weinen. Ximena singt mein Andachtslied. Eine Frau mit großem und – wie ich vermute - schönem Arsch tanzt ständig durch mein Gesichtsfeld, sich immer wieder an ihren Freund anhängend. Nun ist es ein Vater mit zwei Buben. Aber das macht nichts! Ich habe Zeit. Da ich auf die Unendlichkeit warte, habe ich endlos Zeit (wollte ich als Ganzer in die Unendlichkeit eintreten und dabei mein subjektives Bewußtsein bewahren, hätte ich gar keine Zeit, sondern müßte mich gschleinen, hier auf Erden noch alles dafür nötige zu erledigen und alle offenen Enden abzuschließen. Aber wenn ich akzeptiere, dass mich die Unendlichkeit zerlegen wird, habe ich keine Eile und kann meine Augen weiden).

Zurück zu Sisyphos, dem vielleicht seine Erlösung aus dem ewigen Dilemma gelungen ist, weil er seinen Stein lieben gelernt hat. Das kann ich hier am Sisyphos/Stein sehen. Ein Mann mit Schuhen, die dreckig aussehen, aber es überhaupt nicht sind, vermeidet es, meine Blicklinie, Blickbahn, meinen Blickstrahl (verdammt! Gibt es kein Wort für die Linie vom Aug zum anvisierten Objekt!? Oder fällt es mir nur nicht ein?) zu durchkreuzen. Als er es dann macht, macht er es schnell – so tät ich auch an seiner Stelle. Aber jetzt bin ich der Platzhalter und Bestimmer.

Ich sitze ganz gekrümmt, wie der müdeste der müden Krieger. Bald werde ich heimfahren; das hier ist doch nur ein kleiner Abstecher auf meiner Fahrt zur Gesundheitskasse und zurück, um meinen Antrag auf Teilrückvergütung meiner Kosten für die Therapie wegen Angstpsychose und Depression einzureichen. Das hier ist nur als kleiner Besuch gedacht. Zur Zeit geht es mir aber gut und den Westlichen Sisyphos liebe ich – vor einigen Wochen: plötzlich hatte er sich mir erschlossen.

John Frusciante und Omar Rodriguez-Lopez spielen Gitarre. Ach die Löcher! Warum übersehe ich die immer im Sisyphos/Stein? Mein Rücken schmerzt von meiner Krümmung. Es ist besser, ich gehe bald. Ich lasse den Sisyphos/Stein nochmals aufleuchten, indem ich ihn anstarre. Ein Asteroid, ein Meteorid, groß genug, mich zu zermalmen.

Heute bin ich elegant angezogen: mit Sakko und langer, schöner Hose und Sommerschuhen. Den Weinbauernhut jedoch habe ich wegen meiner Zöpfchen genommen. Viele Leute queren meine Linien, manche entschieden, manche zögerlich, manche zuerst zögernd, dann entschieden, manche ohne auf meine Linien zu reagieren.

Sisyphos! Ach Sisyphos! Mein geliebter Schutzpatron! An den kurzbehosten Männern, die queren, kann ich mir bestätigen, dass ich schöne Beine habe. Komm, Sankt Sisyphos, hilf mir … ein paar Lichter gehen im Raum aus und heben damit meinen Favoriten deutlicher hervor, denn die auf ihn gerichteten Strahler bleiben hell. Oder war das nur eine optische Täuschung? Nein! Jedenfalls strahlt mein Sisyphos mehr denn je. Was hat er eigentlich verbrochen? Ich werde nachlesen. Adios! Tschüss! Adé! Χατρε!

 

(2.8.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   August 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

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