Sonntag, 5. Juli 2020

1916 Auf der Fensterbank


Auf der Fensterbank hockend blicke ich zum kleinen leeren Platz hinunter. Der Wind streicht die drei lichten Bäume zum Tanz, die Rollos an den Fenstern bläht er auf. An einem Fenster wird Bettzeug gelüftet. Sonntag Mittag und sonnig ist es.

Wenige Autos. Kaum Fußgänger. Aus meinem Wohnzimmer jammert Morrissey so schön und schmelzend in meine Richtung.
Der Hunde zwei laufen unten vorbei.

So toll, wie ich es mir vorgestellt habe, ist der Platz da am Fenster gar nicht. Wenn wer vorbeigeht, geht es so schnell, dass ich mit dem Beschreiben und Formulieren nicht nachkomme.

Mitsingen bei Bigmouth Strikes Again gerät mir so jämmerlich, daß es mir den Gesang verschlägt und der noch jämmerlicher wird. Wieso bin ich ganz allein in der Wohnung, niemand wird hereinkommen, so schüchtern? Ich habe mich schon tagelang darauf gefreut, wie ich, wenn alle ausgeflogen sind, laut und inbrünstig singen werde, tanzen und herumhüpfen, wo die Tanzerei ekstatische und religiöse Züge annehmen wird; ich sehnte mich schon lange danach, für ein paar Tage die Wohnung für mich alleine zu haben …

Wieder versuche ich bei The Boy With The Thorn In His Side wenigstens mitzusummen, aber was sich aus meinem Mund ergießt ist so erbärmlich. Oh! mein! Gott! Verhaltenes Gequäcke, komme mit der Stimme weder hoch genug rauf, noch runter, wenn ichs eine Oktav tiefer versuche. Ein Gewinsel!

Ich brauche einen Trip, der mir meine kleinbürgerliche Verfangenheit gründlich wegräumt oder mich wenigstens mit meinen Dämonen konfrontiert, damit ich sie wirklich anfallen und verdreschen kann. Ja, weil's wahr ist! Aber ich mit meiner scheiß Korrektheit (oder Autoritätsangst).

Wozu schaue ich überhaupt auf den Platz hinunter? Ich könnte genauso in meiner Zelle oben sitzen; es machte keinen Unterschied.

Noch ein Versuch mit There Is A Light That Never Goes Out. Wird nicht besser. Unten gehen jetzt mehr Leute, auffällig viele schöne Frauen, aber die können mich nun auch nicht mehr ablenken vom to die by your side/ such a havely way to die. Und deshalb schalte ich bei Some Girls Are Bigger Than Others den CD-Player ab.

Ja gut. Kaffee!









(5.7.2020)











©Peter Alois Rumpf,  Juli 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


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