1916 Auf der Fensterbank
Auf der Fensterbank hockend blicke ich zum kleinen leeren
Platz hinunter. Der Wind streicht die drei lichten Bäume zum Tanz, die Rollos
an den Fenstern bläht er auf. An einem Fenster wird Bettzeug gelüftet. Sonntag
Mittag und sonnig ist es.
Wenige Autos. Kaum Fußgänger. Aus meinem Wohnzimmer jammert
Morrissey so schön und schmelzend in meine Richtung.
Der Hunde zwei laufen unten vorbei.
So toll, wie ich es mir vorgestellt habe, ist der Platz da
am Fenster gar nicht. Wenn wer vorbeigeht, geht es so schnell, dass ich mit dem
Beschreiben und Formulieren nicht nachkomme.
Mitsingen bei Bigmouth Strikes Again gerät mir so
jämmerlich, daß es mir den Gesang verschlägt und der noch jämmerlicher wird.
Wieso bin ich ganz allein in der Wohnung, niemand wird hereinkommen, so
schüchtern? Ich habe mich schon tagelang darauf gefreut, wie ich, wenn alle
ausgeflogen sind, laut und inbrünstig singen werde, tanzen und herumhüpfen, wo
die Tanzerei ekstatische und religiöse Züge annehmen wird; ich sehnte mich
schon lange danach, für ein paar Tage die Wohnung für mich alleine zu haben …
Wieder versuche ich bei The Boy With The Thorn In His Side
wenigstens mitzusummen, aber was sich aus meinem Mund ergießt ist so
erbärmlich. Oh! mein! Gott! Verhaltenes Gequäcke, komme mit der Stimme weder
hoch genug rauf, noch runter, wenn ichs eine Oktav tiefer versuche. Ein
Gewinsel!
Ich brauche einen Trip, der mir meine kleinbürgerliche
Verfangenheit gründlich wegräumt oder mich wenigstens mit meinen Dämonen
konfrontiert, damit ich sie wirklich anfallen und verdreschen kann. Ja, weil's
wahr ist! Aber ich mit meiner scheiß Korrektheit (oder Autoritätsangst).
Wozu schaue ich überhaupt auf den Platz hinunter? Ich könnte
genauso in meiner Zelle oben sitzen; es machte keinen Unterschied.
Noch ein
Versuch mit There Is A Light That Never Goes Out. Wird nicht besser.
Unten gehen jetzt mehr Leute, auffällig viele schöne Frauen, aber die können
mich nun auch nicht mehr ablenken vom to die by your side/ such a havely way to
die. Und deshalb schalte ich bei Some Girls Are Bigger Than Others den
CD-Player ab.
Ja gut. Kaffee!
(5.7.2020)
©Peter Alois Rumpf, Juli 2020
peteraloisrumpf@gmail.com
0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]
<< Startseite