Mittwoch, 1. Juli 2020

1908 Sonnenlichtinduziert


Ich bin egozentrisch, narzisstisch und exhibitionistisch, aber jetzt entdecke ich eine Stelle im Zimmer, die ich noch nie beschreibend im Auge hatte: den Fußboden unter meinem Schreibtisch. Licht fällt vom Fenster herab und bildet ein unsauberes, fast quadratisches Rechteck – die Ränder sind teilweise ausgefranst und kleine Schatten fallen hinein – die linke vordere Rolle meines Bürosessels an ihrem Metallfuß hat sich an der Lichtfeldgrenze aufgestellt und harrt ihres Einsatzes.
Der wird auf sich warten lassen, denn noch lehne ich im Bett und wie ich mich kenne werde ich wieder einschlafen.

Durchs weit aufgerissene Fenster kommt ein lebhaftes Vormittagsleben herein: lautes Türgeklingel, genüßliches, männliches Stöhnen, Badewannengeplätscher, Ganggespräche, Lüftungsbrummen, nur ein wenig Autoverkehr.

Meine Bücherwand steht majestätisch und stolz in dieser anständigen Morgen- und Lichtszenerie – für mich ist noch Morgen, nicht Vormittag; und die Bücher halten zu mir! - und hält dem kleinbürgerlichen Im-Frühtau-zu-Berge stand. Was ihr nicht allzu schwer fällt (sic!), denn das Regal steht nicht nur, sondern ist auch an die Wand gedübelt und fixiert.

Es ist ein Glücksgefühl, das mich durchströmt; zwar mit Hang zur Müdigkeit; Besitzerstolz und intellektuelle Buchangeberei beigemischt, aber ein Glücksgefühl.
Ich liebe diesen statischen Moment: hier bei mir das warme Bett, die Möglichkeit, jeden Moment wieder einzuschlafen, von draußen kommt eine Brise tüchtige Vormittagswelt herein; sie läuft dort draußen hinter den Mauern aktiv, fleißig nach der überwundenen oder übertünchten Morgendepression ganz normal ab – und so, im Bett, gefällt es mir sehr, akustisch (Radio, weibliches Telefonieren) daran teilzuhaben (Küchengeräusche) und optisch über das indirekte Luftschachtlicht. (Kaffeemaschine).
Ja, so läßt sichs leben: als bescheidener Akustiqueur und noch bescheidenerer Voyeur des Lebens. (Pürierstab.) (Türenkleschen, Mistkübel, Etwas-wurde-ins-Abwaschbecken-gestellt, Wasserhahn aufgedreht, abgedreht …) (überhaupt die Küche … vielleicht stehe ich doch bald zum Frühstück auf …)

Ah! Und jetzt die fröhlich singenden Tageskinder im Stiegenhaus! Jetzt geht das Leben richtig los!

Ich setze mich an den Schreibtisch (die Rollen des Bürosessels kommen zum Einsatz) und betrachte den vergitterten Sonnenlichtflecken an der gegenüber liegenden Lichtschachtwand. Und blättere meinen abgelaufenen Grimmingkalender von Juni auf Juli.

Dann z'reißt's mich in einem sonnenlichtinduzierten Niesanfall – das gibt es als hoöopathisches Fall-Bild – um das zu recherchieren drehe ich sogar mein Laptop auf, aber komme mit der Suche auf keinen grünen Zweig – ich kann mich nur erinnern, vor Jahrzehnten das als homöopathisches Symptombild in einem Buch gesehen und die dazugehörende Beschreibung gelesen zu haben: „... heftiges Niesen am Morgen, vor allem bei ersten Kontakt mit Sonnenlicht ...“ - alles andere  inklusive Resümee und vorgeschlagene Gabe  habe ich vergessen. Wußte nicht, daß das auch mit bloß optischem Sonnenlichtkontakt – also nicht über die Haut – passieren kann.

Ja, gut, Frühstück.









(1.7.2020)









©Peter Alois Rumpf,  Juli 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

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