1532 Das Fenster
In der Dunkelheit schwebt das Fenster – nur ganz schwach
beleuchtet – wie ein magisches Objekt, kein festes Ding dieser Welt, sondern
aus anderer Substanz gesponnen, leicht, filigran, zerfallsanfällig, einer Fata
Morgana ähnlich.
Jetzt, gute zwei Stunden später, ist das Fenster wieder ein
festes Ding, wie mir zum Beispiel jede Thingversammlung als Repräsentantin des
Common Sense zustimmen würde, fest in die dicke Mauer eingebaut, stabil,
selbstsicher und zerbrechlich ist nur mehr das flüssige Glas, durch das man
schauen kann und durch das das weißliche Licht hereinstrahlt.
Bei mir schaut es anders aus: Selbstsicherheit fehlt mir
meist, Stabilität ebenso, und die Festigkeit ist nicht verläßlich, im Rücken
spüre ich schon, wie sogleich alles nachgeben wird und sich auflösen und ich in
den Schlaf gefallen sein werde.
Oh, mein Bild an der Wand lebt und ich kann wieder etwas
völlig Neues in ihm sehen: eine starke Kraft geht im Zick-Zack durch das Bild,
ihre Spur ist deutlich sichtbar.
Dieses Bild, das meine Eltern hat sterben sehen und ihre
Seelen an ihm vorbeischweben gespürt, ist auch ein Fenster, in die andere Welt.
(4.10.2019)
©Peter Alois Rumpf, Oktober 2019
peteraloisrumpf@gmail.com
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