569 Einzelhaft
Was würdest du in Einzelhaft machen? Ich würde singen,
Tensegrity üben, rekapitulieren, schreiben - wenn es möglich ist, und träumen.
Vielleicht auch beten. Einzelhaft wäre mir sowieso lieber. Natürlich behaupte
ich das, während ich hier im Trockenen sitze, gemütlich in meinem Bett knotze.
Die Wirklichkeit würde wohl ganz anders ausschauen.
Einzelhaft wäre mir trotzdem lieber als Gemeinschaftszelle;
ich hätte vor den Männern dort große, große Angst.
Warum ich das frage? Ich weiß nicht; es ist mir gerade so
eingefallen. Gemeinschaftszelle gehört zu meinen absoluten Horrorvorstellungen.
Ich würde gegen die Mitgefangenen nicht ankommen, ich würde mich nicht behaupten
können, ich würde untergehen, ich könnte mich nicht wehren – wie ich es in
meiner Kindheit nicht konnte. Ich würde mich nicht schützen können. Die reinste
Hölle!
Ich habe heute gelesen, daß für eine Einsiedelei in Salzburg
ein Einsiedler gesucht wird, gegen Kost und Logie. Die Vorstellung, Einsiedler
zu sein, hat für mich etwas Anziehendes. Freilich, die Wirklichkeit würde
anders ausschauen. Noch dazu, wo der in Salzburg wohl auch so eine Art
Touristenattraktion abgeben soll, wie ich vermute. Nein, nichts für mich.
Wir haben keine gescheiten offiziellen und
institutionalisierten Formen mehr fürs kontemplative Leben, aber vielleicht ist
das auch eine Chance. Am ehesten kann ich mir noch clandestine Einsiedler
vorstellen, solche, die unter den Menschen wohnen, aber ein kontemplatives
Leben führen. Das ist ganz schwer, aber wenn das gelingt – das stelle ich mir
ganz bereichernd und sinnvoll vor.
Ansatzweise hat es bei mir zwei Lebensphasen gegeben, wo es
fast ein wenig in diese Richtung gegangen, aber dann eben doch nicht geglückt
ist, wie gesagt, nur ansatzweise. Das waren trotzdem nicht die schlechtesten
Lebensphasen.
Mir ist jetzt kalt und ich ziehe mir einen Pulli an.
(12.1.2017)
©Peter Alois Rumpf Jänner
2017 peteraloisrumpf@gmail.com
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