373 Ich habe mir nichts vorzuwerfen
Die schale Müdigkeit einer verplemperten Tages. Solche Tage
brauche ich jedoch sehr dringend, bilde ich mir ein. Von einer rechtschaffenen Müdigkeit
kann aber keine Rede sein. Von Muße nämlich auch nicht. Etwas zutiefst
unzufriedenes hockt in meinem Bauchgefühl: am heutigen Tag nicht wirklich
weitergekommen zu sein, nur meinem Tod einen Tag näher. Wovon ist dann die
Rede?
Am Morgen ein Knoten von Angst im Bauch; diesmal geht’s um's
loslassen. Und da weiß ich, es geht gut. Ganz tief drinnen bin ich ruhig. In
dieser Angelegenheit.
Dann fällt mir der Lehrer ein, der mich am Schikurs wegen
meiner ausgeborgten Kleidung und Ausrüstung verspottet hat. Auch das ist
soziale Platzanweisung, aber damit will ich mich nicht aufhalten; es genügt
mir, es auszusprechen. (Naja, ein bißchen halte ich mich schon bei meiner
siebenundvierzigjährigen Wut und Verbitterung auf.) So, vorbei.
Das aufdringliche, beschissene Röhren der Entlüftung
draußen; dann geht sie aus, um nach drei Sekunden wieder anzuspringen. Immer
mit einem aufgeregten, hochfahrenden Ton. (Der erinnert mich an meine Wut da
oben mit seiner Erregungskurve.)
Komm! Lassen wir auch das alles los.
Ein tiefer Atemzug. Der löst eine tiefe, alte, fundamentale
Trauer aus, die in mir hochzusteigen beginnt. Fast möchte ich sie heilig
nennen, weil sie etwas mit dem Leben und dem Schmerz der Existenz in dieser
Welt zu tun zu haben scheint. Aber ich will aufpassen, nicht in die Falle von
Überhöhung und Heiligsprechung zu tappen. Vielleicht ist es einfach nur die
Trauer eines nicht wahrgenommenen Kindes.
Auch das lassen wir los.
Was bleibt dann? Vogelgezwitscher. Das Zuschlagen einer Tür.
Ferne Sägegeräusche. Klospülung. Jetzt wieder die Entlüftung. Das Reden, Singen
und Rufen kleiner Kinder. Und ja! Der Ruf einer Krähe, die über das Haus
fliegt.
In mir immer noch ein – nun weicherer – Knoten im Magen.
Gedanken an die Blumenkistln, warum viele Bohnen nicht aufgehen. Falsch
gegossen?
Die Trauer zu schnell abgetan? Ich schaue noch einmal nach.
Ja, sie ist noch da. Wenn ich sie spüre, richtet sie mich auf. Ich habe mir
nichts vorzuwerfen. Mein Kampf war in Ordnung.
Ein Mann stand vor mir und wollte mir etwas klar machen. Es
war ein Ausländer und was er sagte sehr interessant und hätte mir
weitergeholfen, aber ich habe alles schon vergessen.
Was wollte ich noch schreiben?
Ein paar kürzere, flache Atemzüge bevor ich wieder tief
atmen kann. Es vibriert immer noch Angst in mir.
Lassen wir es gut sein.
©Peter Alois Rumpf Juni
2016 peteraloisrumpf@gmail.com
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