Freitag, 15. November 2024

3867 Die Dinge der Welt

 



12:04. Im Musikzimmer am Schreibtisch vorm Fenster - mein neuer, zusätzlicher Arbeitsplatz - blicke ich auf die Spinnweben zwischen Heizkörper und Unterseite des überragenden Fensterbretts. Es gefällt mir hier im hellen, großen Raum und am leeren Schreibtisch - nur eine Lampe und eine Sternenkarte befinden sich darauf – und wenn ich durchs Fenster schaue, sehe ich die Wolken dahinziehen und höre nicht allzu laut und nicht allzu nah die Geräusche der Stadt. Ich überlege, ob ich demnächst die Kraft aufbringen werde, das Fenster zu putzen und ob das überhaupt notwendig ist (er glaubt, nur eine ordentliche finanzielle Besserstellung könnte seine Not wenden, der Dolm! - der innere Spötter). Ein Staubwutzel rutscht auf meinem Pilotstift den Schaft hinunter und bleibt bei meiner Schreibhand hängen. Ich aber zupfe ihn weg und schmeiße ihn zu Boden. Ich bin nicht immer so grausam mit den Dingen der Welt, mit denen ich ja auch zu sprechen pflege. Und wirklich: noch ein Staubwutzerl, deutlich kleiner, fällt vom Pilotstift aufs Papier; wieder wische ich es weg; und ebenso verfahre ich mit dem noch kleineren, das ich auf der aufgeschlagenen Notizbuchseite entdecke. Die Wolken am Himmel verdichten sich und wie ich sie anstarre, habe ich die Wahrnehmung, sie würden sich ruckartig weiterbewegen, nicht im Flow – sozusagen der Film in die einzelnen Bilder aufgelöst. Ein wenig kann ich diesen Effekt steuern, aber dennoch erhebt sich die Frage (Phrasenalarm! - der innere Spötter), ob meine Bildverarbeitung im Gehirn noch richtig funktioniert. Das Spinnennetz schwingt in der Aufwärme des jetzt stärker aufgedrehten Heizkörpers in eleganten Bewegungen. In den Fenstern der gegenüber stehenden Häuser sind die Dinge nur schemenhaft zu sehen. Die Wolkenschicht wird heller und es reißt sogar zu einzelnen kleinen blauen Stellen auf. Eine Taube gleitet schön, schnell und wahrlich elegant am Rande durch mein Gesichtsfeld. Ich will meine Gedanken sortieren um endlich zum Thema zu kommen, das ich zu bearbeiten vorhatte, aber es ist weg. Ich bekomme es nicht zu fassen. Ich schneuze mich, weil meine Nase rinnt, und wie immer in solchen Situationen, hilft das Schneuzen nicht viel, nur kurzfristig, weil die Nase weiterhin rinnt. Was wollte ich schreiben? Von den Künstlern um 1913? Den Dingen der Welt? Ja, aber was? Ich probiere wieder den Wolken-Ruck-Effekt aus und ja, nach ein bißchen Übung funktioniert er noch, während gleichzeitig Trübungen an meiner Netzhaut hinunter laufen. Am Haus dort drüben flattert die stoffliche Zierleiste an der eingezogenen Markise am Balkon hoch oben im Wind, während sich im Fenster daneben ein schwankender Zweig eines Bäumchens spiegelt. Es wird noch heller. Ja die Dinge, mit denen ich spreche: ich habe mich heute Morgen wirklich gefreut, als ich eine saubere, nicht zerschlissene, lange Unterhose in meinem chaotischen Wäschefach gefunden habe – ich hatte nur eine vage Idee im Hinterkopf, dass ich schon eine gekauft habe und also noch da sein sollte („Ah, da bist du ja! Entschuldige, dass ich dich fast vergessen und bisher vernachlässigt habe! Und danke Universum!“ - der innere Spötter). Mir ist nämlich ständig kalt, auch in der Wohnung. Ich erhebe mich vom Sessel (österreichischer Sprachgebrauch!) und strecke mich und kann auf den kleinen Platz hinunter schauen. Die geschmack- und gedankenlosen Ornamente auf den Häusern aus dem 19. Jahrhundert können einem schon auf die Nerven gehen (diesen Satz habe ich erdacht und hingeschrieben, nachdem ich mich wieder gesetzt hatte).


(15.11.2024)


©Peter Alois Rumpf November 2024 peteraloisrumpf@gmail.com

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