Mittwoch, 21. Oktober 2020

2048 Albert, Ina und ich

 

Ich habe Vuillards Blaues Zimmer im Sitzen betrachten können; und aus ein paar Metern Entfernung. Da fällt mir zum ersten Mal das weiße Licht links neben und an der Seite der Frauengestalt auf. Etwas von anderwo her strahlt da in die Szene herein und sucht den menschlichen Körper und verwandelt ihn an seiner rechten Seite und den Raum rechts, rechts von der Frau aus gesehen. Eine Erscheinung kündigt sich an. Fast hätte ich gesagt: Mariae Verkündigung. Ihr Kopf neigt sich schon hingebungsvoll zur Seite, den Erzengel Gabriel in seinem Auftauchen nicht abwehrend; und sie beginnt schon zu leuchten.

Mich interessiert an Kunst nur, ob und wenn Transzendenz, besser gesagt: Nagual durchkommt. Echte Transzendenz, nicht frömmelnd ausgedachte und egal ob dieses Durchschimmern vom Maler, der Malerin bewußt angestrebt ist oder nicht. 
Echte auch bei Werefkin, deren zwei Bilder auch fast bersten vor lauter Anderem.

Wenn die Kunst rein irdisch ist beziehungsweise sein will – echter Kunst gelingt das gar nicht – dann wenigstens Licht vel Erotik (auch echte Erotik gemeint, nicht sexualfrömmelnd ausgedacht).

Den bunten Berg bei Oberstdorf (Jawlensky)(bevor es die depperte Sprungschanze und die Bergbahnen gab – nehme ich an) nehm ich im Vorbeigehen auch noch mit.

Jetzt wieder meine Große Erholung, mein Großes Aufatmen vor Kokoschkas Städten. Das himmlische London – das himmlische Jerusalem bekommt Konkurrenz – und das Sonnen-untergehende Dresden. Das Himmel-Hölle-Spiel. Beide Bilder sind wunderschön.

Und hier der siebenblättrige Klee und der dreiblättrige Kandinsky (der manzusche Kardinal wird ignoriert). Der Beginn eines Festes voll gelber Vorfreude und Erwartung. Aber der Mond weint schon. Er weiß schon. Denn auf den zweiten Blick: irgendetwas stimmt nicht! Nicht im Bild, beim Fest, oder? Sein Zwergmärchen so rund und überhaupt nicht kindisch. Entstehungsjahr Geburtsjahr meiner Mutter. Immer wieder mein Entsetzen, was die braunen Banden an Entwicklung zerstört haben. Ich als Nachkomme mußte wieder weit vor Klee anfangen zu entdecken und mich weiterzuentwickeln! Keine Tradition, auf deren Schultern man stehen konnte.

Der Arbeiter der Motesiczky strahlt verhalten, sanft im persönlichen Umgang und lächelnd, bescheiden: ein echter Prophet; ob nach Ninive oder noch vorher; in Warteposition auf seine Stunde oder im Ausgedinge nach vollbrachter Tat – das kann ich nicht sehen.
Auch ihre Straße in Hinterbrühl leuchtet und die Transzendenz drängt sich überdeutlich von hinten, von unten, von innen an und strahlt auch via Sonne her. Was für Bilder!

Ich raste sitzend vor Chagalls Papierdrachen, so ernst, lustig, tiefsinnend und blau. Blau, blau, dieses Blau!

Vor Giacomettis vier Frauen auf Sockel und ihre transzendierenden Schatten raste ich wieder. Mein Blick wandert auch hinüber zu seiner berührend verzweifelten Landschaft (auch die gesamte Schöpfung harrt der Erlösung, die sich im Licht ankündigen könnte) und streift manchmal Max Ernsts gelbgrüne, verfarnte Scheibe.

 

(21.10.2020)

 ©Peter Alois Rumpf   Oktober 2020   peteraloisrumpf@gmail.com

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