1647 Unter der Decke ausharren
Ganz aufgeregt liege ich im Bett, denn ich breche die
Vereinbarung mit mir selbst (oder wem auch immer), werktags immer spätestens um
acht Uhr aufzustehen, und zwar breche ich sie absichtlich, bei vollem
Bewußtsein, sehenden Auges und im Vollbesitz meiner geistigen und seelischen
Kräfte (ha! ha! ha!) und ohne die Acht-Uhr-Idee aufzugeben. Ich knotze also bei
hochgezogener Jalousie – das schon! - und mit hochgezogenen Knien via drei
Pölster an das Bettgestell gelehnt im Bett und warte, was mein Gesetzesbruch
auslöst.
Bis jetzt ist nichts ungewöhnliches passiert. Meine
Verbündete, die Katze begrüßt diese Gelegenheit neben mir zu liegen und ein
paar Streichelungen abzubekommen schnurrend, jedoch zuckt kein Blitz, kracht
kein Donner, erschallt keine Stimme von oben.
Und innen? Kleine subtile Veränderungen in der Gehirnchemie?
Mit welchen Folgen? Wird meine Acht-Uhr-Entscheidung schon aufgelöst? Oder mit
größerer Stabilität und Sicherheit auf ein höheres, flexibleres Niveau gehoben?
Und mein Vorsatz darin und so bewahrt?
Wie fühlt es sich an? Nachdem ich gestern nachts mit der
Lektüre bis gegen zwei Uhr nicht aufhören wollte, weil mich der „Kirchen"austritt Spinozas (Yalom; das Spinoza-Problem; ein Roman!) überraschend so gepackt und mich mutatis
mutandis an meinen ungleich harmloseren (ersten) erinnert hat, fehlt mir
eindeutig Schlaf für mein Wohlbefinden, und ich habe es sehr genossen, unter
der Decke auszuharren und zu schlafen. Aber wird mir damit schon mein neuer,
weniger bemißtrauter und frisch geliebter Morgenoptimismus, den ich mir in den
letzten zwei Wochen regelrecht und wörtlich erstanden habe, zerbröseln? Heute
fühlt es sich nicht so an, wie wird es jedoch morgen sein? Wird sich da unter
welchem Vorwand auch immer auch wieder ein besonderer Ausnahmetag gleich nach
dem Aufwachen ankündigen? - ich kenne das Suchtproblem!
Das war nach dem Aufwachen. Und jetzt? Ich habe den
Eindruck, daß es paßt. Aber gibt es nicht doch ein verdecktes Schuldgefühl? Mir
fällt auf, daß ich, sobald ich gegen Mittag unten in der Küche zum Frühstück
aufgetaucht bin, gleich zuerst alles herumstehende gebrauchte Geschirr in den
Geschirrspüler geräumt und diesen eingeschaltet habe, bevor ich mir noch ein
Frühstück zubereitet habe. Verdächtig!
Und nach dem Frühstück – auch verdächtig - bin ich die schon
wochenlang hinausgeschobene, wenn auch nicht überlebensnotwendige Reparatur der
Jalousie in meinem Zimmerchen angegangen, was viel mühsamer als erwartet war
und wobei ich ordentlich in Aufregung und Schwitzen geraten bin – dieses
umständliche Hantieren mit der großen Leiter im kleinen Zimmer und noch dazu,
wo ich zu faul war, meinen Schreibtisch vorm Fenster abzuräumen, sodaß ich nur
äußerst vorsichtig darauf herumsteigen konnte, und außerdem die Mechanismen der
Ziehkette, als auch der Montage der Jalousie höchstpersönlich mir zwar nicht
gänzlich, jedoch teilweise wieder neu erarbeiten mußte.
Darnach ward ich körperlich und seelisch sehr erschöpft!
Aber: ich konnte vom Schreibtisch aus wieder den Blick auf
das Dachbodenfenster genießen, in dem sich – heute – ein tiefschöner, ganz
dunkelblauer Himmel gespiegelt hat und Sonnenlicht auf einem kleinem
Mauerstück, das vom Schatten des Taubengitters gerastert war.
(11.12.2019)
©Peter Alois Rumpf,
Dezember 2019
peteraloisrumpf@gmail.com
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