Montag, 9. Dezember 2019

1643 Schlafen während der Arbeit


Ich sitze mit dem Rücken zur Wand und gaffe quer durchs Atelier beim Fenster hinaus in den windstillen, grauen Morgen, in das unbewegte, aber grundsätzlich windelastische Geäst der Familie Essigbaum, selbst das Rot der Ziegeldächer zeigt sich verstohlen fast schon als Grau.
Und doch ist das eintönige, durchgeästelte Grau da draußen schön, von – ja, ich würde sagen: von erhabener Schönheit; sie zu erkennen hängt nur von der eigenen und der äußeren Ruhe ab.

In diese wunderbare Stille rieselt es plötzlich hinter mir im Kamin hinunter; ein kleiner Schock, das war's schon, die Ruhe ist zurück und ich liebe diese schöne graue Stille so sehr, so sehr, so sehr. Wieviel Blau im Grau der nackten Äste und Zweige zum Vorschein kommt!

Aus einem Rauchfang steigt Rauch; das muß der echte von echtem Feuer sein; gerade wird angeheizt, welch ein schöner, sehnsuchtsvoller, schwermütiger Anblick! Welch traurige, elegische Rauchfahne, viele tausende Jahre alt.

Wenn dieser Anblick in dieser Stille mein „Lohn“ drüben nach dem Tod wäre, und wenn dafür gesorgt wäre, daß mein kreuzlädierter Körper in alle Ewigkeit und in dieser so sitzen könnte, ich würde das gerne annehmen.

Ein kribbeliger Schlaf geht mir über die Augenlider, beeinträchtigt meine Sicht, läßt meine Aufmerksamkeit einknicken, aber kein Wunder! Wir sind ja hier nicht drüben.

Jetzt lenkt mich das zunehmende Gedankenkreisen vom schönen Grau ab und ich erkläre einer Rationalistin die Wunder Jesu energetisch und wie so gerne fange ich bei der Heilung des blinden Barthimäus an, weil sich dabei so gut der Unterschied der üblichen phantastisch ausufernden Beschreibungen ausgedachter Wunder und der nüchterenen Beschreibung soziologisch so klar nachvollziehbarer Vorgänge bei Barthimäus Heilung aufzeigen läßt.

Aber nun, während ich meinen (leider bloß inneren) Vortrag halte, fallen mir die Augen zu und ich werde gleich sehen, ob ich auf meinem selbsternannten und selbstbesetzten Lehrstuhl hier im Atelier schlafen kann.

Tatsächlich! Ich bin im Sessel eingeschlafen. Beim eigenen Vortrag! Das Bild vor mir hat sich nicht verändert, vielleicht ist das Grau eine Spur heller geworden (Schlafen während der Arbeit: bei mir erlaubt).











(9.12.2019)













©Peter Alois Rumpf,  Dezember 2019  peteraloisrumpf@gmail.com



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