Donnerstag, 8. Mai 2008

31 Zu Wolfgang Döbereiner und zur Münchner Rhythmenlehre I

Mit persönlichen Bemerkungen.

Gut zehn Jahre lang habe ich mich mit der Münchner Rhythmenlehre des Astrologen Wolfgang Döbereiner halbwegs intensiv beschäftigt – ich habe seine Bücher gelesen, einzelne Seminare besucht und mich von ihm beraten lassen. Wer die Münchner Rhythmenlehre gut kennt, dem werde ich nicht erklären müssen, welche Faszination von ihr und ihrem Schöpfer ausgeht. Und obwohl ich nie ein guter Astrologe und Horoskopdeuter war – ich war immer eher „am Drive interessiert“ (W. Döbereiner) – hat sich für mich durch diese Begegnung eine Welt aufgetan, in der man über die Klarheit und Präzision der Schlussfolgerungen, der inneren Logik und Stringenz, über die Bildhaftigkeit, Tiefgründigkeit und Assoziationskraft und darüber, wie sich daraus überraschende Zusammenhänge ergeben, nur in Staunen und Bewunderung fallen konnte.

Diese Denkschule hat mich stark beeinflusst – egal, ob ich die Dinge richtig oder falsch verstanden und angewendet habe.

Vorher war meine Vorstellungswelt geprägt von den Büchern Carlos Castanedas – wieder egal, ob ich sie richtig oder falsch verstanden, ob ich sie richtig oder falsch ausgelegt habe.

Unvermeidlich begann ich dort, wo sich die beiden „Lehren“ widersprachen, darüber nachzugrübeln, was nun richtig und was falsch sei. Ohne Übertreibung kann ich sagen, dass ich jahrelang in meinem kleinen Zimmer auf- und abgegangen bin, um darüber nachzudenken.

Herr Döbereiner hatte in seinen Seminaren sinngemäß gesagt, dass Castaneda und seine Welt böse sei durch Nichtannahme der irdischen Koordinaten und so lauter ursprungslose, manische, von ihrer Erhabenheit im Größenwahn überzeugte „Unsterbliche“ produziere. Unbestritten, dass dies auf mich und vielleicht auch andere „Castanedafans“ zugetroffen haben mag, so sagte mir mein Empfinden doch immer, dass die von Castaneda geschilderte Welt der Zauberer lauter sei – unabhängig davon, was ich selber damit angerichtet hatte. Ich habe dann „tapfer“ versucht, gegen dieses Empfinden anzukämpfen, dass die Unterweisung und Ausbildung, die Castaneda erhält, lauter und gut ist und die Welt der Zauberer, zu denen er stößt, sich als lebensvoll, klar, schön, demütig, bescheiden, nüchtern, voller Lachen, unbestechlich, leidenschaftlich und großartig zeigt und dass das geschilderte Sehen lauter, authentisch, nüchtern und echt ist. Ich habe dieses Empfinden nicht wegschieben können. Ich hatte nie etwas von Sehern gelesen, dass dem nur annähernd an Nüchternheit und Integrität gleichkommt. Wie gesagt, das waren jahrelange innere Kämpfe.

Schließlich habe ich ungefähr Mitte der Neunzigerjahre aufgehört, Münchner Rhythmenlehre zu lesen und Seminare zu besuchen, sodass ich da längst nicht mehr auf dem neuesten Stand bin.

Ich hatte nicht den Mut gehabt, Herrn Döbereiner klar und direkt zu fragen, wie er zu seinem Urteil über Castaneda komme und auf welche Aussagen und Textstellen er sich dabei beziehe. Denn was den Vorwurf der Selbsterhöhung, der Manie, der Pseudounsterblichkeit etc. betrifft, gibt es bei Castaneda viele Stellen, die dies – soweit ich es verstehen kann – widerlegen. Ich will eine Szene aus dem Castaneda-Band „Die Kraft der Stille“ (Seite 128-131), in der Castaneda als Lehrling mit seinem Lehrer Don Juan Matus über ihre Beziehung und über die tiefere Wahrheit des Charakters von Castaneda herumstreitet, als Beispiel in Zitaten wiedergeben:

Eines Tages fragte ich Don Juan rundheraus, und in sehr zynischem Ton, welchen Vorteil er denn aus unserer Verbindung hätte. Ich könne es mir nicht vorstellen, sagte ich.

„Nichts, was du verstehen würdest“, erwiderte er.

Seine Antwort ärgerte mich. Streitlustig sagte ich ihm, ich sei nicht blöde, und er könne zumindest versuchen es mir zu erklären.

„Nun. Ich möchte sagen, dass du es zwar verstehen würdest, aber es würde dir gewiß nicht gefallen“, sagte er mit jenem Lächeln, das er immer aufsetzte, wenn er mich aus dem Gleichgewicht brachte.

Dieses Geplänkel geht dann noch weiter bis Castaneda Don Juan wütend auffordert, endlich mit dieser angeblich tieferen Wahrheit herauszurücken:

„Vor allem sollst du wissen, dass alles, was ich für dich tue, für dich kostenlos ist. (…) Du sollst nicht glauben, dass ich dich fördere, damit du eines Tages für mich sorgst, wenn ich zu alt und zu schwach bin, für mich selber zu sorgen. (…)“

Und weiter unten beschreibt Castaneda wie Don Juan sagt:

„Wenn du mich nach meinem Verhalten zu dir beurteilst“, sagte er, „wirst du zugeben müssen, dass ich immer ein Muster an Geduld und Verlässlichkeit war. Du weißt aber nicht, was es mich gekostet hat. Um meine Makellosigkeit zu erreichen, musste ich kämpfen, wie ich noch nie um etwas gekämpft habe. Damit ich mit dir zusammen sein konnte, musste ich mich jeden Tag verwandeln und mich aufs Äußerste beherrschen.“

Don Juan hatte ganz recht gehabt. Ich war überhaupt nicht einverstanden mit dem, was er sagte. Um mein Gesicht zu wahren, machte ich einen lahmen Rettungsversuch.

„So schlimm bin ich doch gar nicht, Don Juan“, sagte ich.

„Doch, so schlimm bist du“, sagte er, jetzt ernst geworden. „Du bist kleinlich, verschwenderisch, zwanghaft, reizbar und eingebildet. Du bist mürrisch, grüblerisch und undankbar. Du bist unübertroffen in deiner Fähigkeit, dich gehenzulassen. Und was am schlimmsten ist – du hast eine übertriebene Vorstellung von dir selbst, die durch nichts gerechtfertigt ist.

Um ehrlich zu sein, muß ich sagen, dass mir ganz übel wird in deiner Gegenwart!“

Ich wollte aufbrausen. Ich wollte protestieren und mich beschweren, er habe kein Recht, so mit mir zu sprechen. Aber ich brachte kein Wort heraus. Ich war niedergeschmettert, wie betäubt.

Vermutlich guckte ich ganz verdutzt, als ich diese tiefste Wahrheit erfuhr. Denn Don Juan lachte so unbändig, dass ich beinah fürchten musste, er könnte ersticken.

„Ich habe dir gesagt, du würdest es nicht verstehen; es würde dir nicht gefallen“, sagte er. „Die Gründe für das Verhalten der Krieger sind oft ganz einfach. Aber ihr Verhalten selbst ist kompliziert. Für einen Krieger ist es eine große Chance, wenn er sich – seinen innersten Gefühlen zum Trotz – makellos verhalten kann. Du schenkst mir diese große Chance. Die Möglichkeit, dir makellos und kostenlos etwas wiederzugeben, macht mich jung und erneuert mein Staunen. Wirklich, was ich aus unserer Verbindung bekomme, ist sehr wertvoll für mich. Ich bin dir zu Dank verpflichtet.“

Seine Augen funkelten, als er mich anschaute – doch diesmal ganz ohne Bosheit.

Und an einer anderen Stelle, die ich momentan nicht finde, sagt Don Juan zu Castaneda: Mit dir hatte ich es besonders schwer, denn du warst einer dieser vorwitzigen Unsterblichen, die weder ihr Leben noch ihren Tod ernst nehmen. (aus dem Gedächtnis zitiert! Möglicherweise ungenau). (20.04.2009; heute habe ich die richtige Stelle gefunden; ich zitiere wörtlich C.Castaneda, Der Ring der Kraft; Seite 266: "Bei dir hatte ich es mit einem vorwitzigen Unsterblichen zu tun, der keinerlei Respekt vor seinem Leben oder seinem Tod hatte", sagte er lachend)

Noch ein Zitat bei Castaneda als Beleg für den nüchternen Geist daselbst (Ergänzung 15.5.08) :

Hüte dich vor denen, die bei ihren Erkenntnissen weinen, denn die haben nichts begriffen; lass den Montagepunkt sich bewegen (das heißt in etwa: mach deine Erfahrungen; PR) und lass es zu, daß Jahre später die Erkenntnisse kommen.

© Peter Rumpf 2008 peter_rumpf_at@yahoo.de

2 Kommentare:

Am/um 1. August 2017 um 20:23 , Blogger Unknown meinte...

Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

 
Am/um 1. August 2017 um 20:25 , Blogger Unknown meinte...

Hallo Peter

Ich bin grad am Lesen von Döbereiner, bin Astrologie Interessiert, finde Döbereiner nach dem 6. Band quälend und auch nicht immer überzeugend, und in einigen wenigen Punkten meine ich sogar, dass er falsch liegt. Jetzt traf ich deinen Artikel und danke dafür. Noch ein Punkt, in dem er diesmal ganz offensichtlich falsch liegt, meiner Erfahrung nach.

Ich hatte vor einigen Jahren Erleuchtungszustände , zuu denen ich kam, weil (!) ich Castanada und dazu geordnete Bücher las. Ich habe mich intensiv mit diesem Feld der Zauberei befasst und bin schliesslich auch echten Schamanen begegnet. Ich habe auch von anderen schon das Urteil gelesen, Castaneda hätte sich alles aus der Phantasie geholt. Ich glaube, es ist einfach leichter für viele, es so zu halten - es gibt ja den berühmten SCHUTZ vor gewissen Realitäten, wie es Döbereiner sagt. Der Schutz muss intakt bleiben. Ich bin jedenfalls überzeugt, dass Castanedas Welt eine viel wirklichere ist, als diese uns bekannte physische Realität. Gruß

 

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