2225 Aktmodell
Es geht auf 2 a.m. zu und ich habe gerade meinen dreckigen
Körper abgeduscht und die schmerzenden Stellen gesalbt. Ich schaue zur
frankophonen Schweizerin – zuerst auf dem Magnetbildchen, dann auf der
Kunstpostkarte. Heut ist sie eine Spur weniger lebendig als gestern. (Ja, ja,
ich besitze sie in zweifacher Ausgabe!) (Noch etwas, was mir an dieser Frau
gefällt und das mir gestern noch nicht eingefallen ist: sie hat nichts
Kokettierendes an sich. Und mich dünkt, die Arbeit als Aktmodell war ihr
unangenehm und ihrer Armut geschuldet.)
„Nein, nein, Frau N.N., wenn ich Akt zeichne, brauchen Sie
keine verdrehten Posen machen! Ihr Gewand legen Sie einfach dort auf den Sessel
und auf den da können Sie sich setzen, wenn Sie wollen. Sie sind das erste Mal
hier, wenn Ihnen die Situation noch ungewohnt und unangenehm ist, müssen Sie
sich heute noch nicht ganz ausziehen. Wie es für sie angenehm ist. Die
Raumtemperatur ist warm genug? Passt es so? Gut, ich fange an. Bitte belieben
Sie jetzt möglichst still und unbewegt, so gut es geht.“
„Jetzt machen wir ein paar hingeschleuderte
Schnellzeichnungen: Sie bewegen sich, können auch herumgehen – ganz natürlich,
schlicht und ich fetze ein paar Skizzen herunter. Ja, genau so! Sie verstehen
mich richtig!“
„Für heute wäre ich fertig. Hier Ihr vereinbarter Lohn“ -
ich reiche ihr die Euroscheine mit den darauf abgebildeten Brücken nach oben –
wegen der Geschäftsverbindung - „War es für Sie so in Ordnung? Also, ich würde
mich freuen, wenn Sie öfter für mich Aktsitzen würden! Sie haben sehr gut
mitgearbeitet. Wenn Sie sich eine weitere Zusammenarbeit vorstellen können –
Sie sind mir willkommen! Ja, Okay? Gut, dann nächste Woche zum selben Termin. Auf
Wiedersehen! Ich begleite sie noch zur Tür. Adios!“
(6./7.5.2021)
©Peter Alois Rumpf Mai 2021
peteraloisrumpf@gmail.com
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