Freitag, 7. Mai 2021

2225 Aktmodell

 

Es geht auf 2 a.m. zu und ich habe gerade meinen dreckigen Körper abgeduscht und die schmerzenden Stellen gesalbt. Ich schaue zur frankophonen Schweizerin – zuerst auf dem Magnetbildchen, dann auf der Kunstpostkarte. Heut ist sie eine Spur weniger lebendig als gestern. (Ja, ja, ich besitze sie in zweifacher Ausgabe!) (Noch etwas, was mir an dieser Frau gefällt und das mir gestern noch nicht eingefallen ist: sie hat nichts Kokettierendes an sich. Und mich dünkt, die Arbeit als Aktmodell war ihr unangenehm und ihrer Armut geschuldet.)

„Nein, nein, Frau N.N., wenn ich Akt zeichne, brauchen Sie keine verdrehten Posen machen! Ihr Gewand legen Sie einfach dort auf den Sessel und auf den da können Sie sich setzen, wenn Sie wollen. Sie sind das erste Mal hier, wenn Ihnen die Situation noch ungewohnt und unangenehm ist, müssen Sie sich heute noch nicht ganz ausziehen. Wie es für sie angenehm ist. Die Raumtemperatur ist warm genug? Passt es so? Gut, ich fange an. Bitte belieben Sie jetzt möglichst still und unbewegt, so gut es geht.“

„Jetzt machen wir ein paar hingeschleuderte Schnellzeichnungen: Sie bewegen sich, können auch herumgehen – ganz natürlich, schlicht und ich fetze ein paar Skizzen herunter. Ja, genau so! Sie verstehen mich richtig!“

„Für heute wäre ich fertig. Hier Ihr vereinbarter Lohn“ - ich reiche ihr die Euroscheine mit den darauf abgebildeten Brücken nach oben – wegen der Geschäftsverbindung - „War es für Sie so in Ordnung? Also, ich würde mich freuen, wenn Sie öfter für mich Aktsitzen würden! Sie haben sehr gut mitgearbeitet. Wenn Sie sich eine weitere Zusammenarbeit vorstellen können – Sie sind mir willkommen! Ja, Okay? Gut, dann nächste Woche zum selben Termin. Auf Wiedersehen! Ich begleite sie noch zur Tür. Adios!“

 

(6./7.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

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