Samstag, 24. Oktober 2020

2054 Proph. Jonas spinnt

 

Am Rückweg ist Proph. Jonas soeben im Jonasreindl vom 43er in die U2 umgestiegen.

Schon am Hinweg, zu Fuß, hat er schon leicht zu spinnen begonnen. Angefangen hat es damit, dass er sich eine groteske Weste, die er einmal mit 40 Grad gewaschen haben muß – so ist sie eingegangen – angezogen hat. Obwohl ärmellos hat er seine Arme gerade noch durch die ärmellosen Ärmellöcher durchgebracht, zwei Knöpfe fehlen und er konnte sie nicht über seiner immensen Wampe zumachen. Aber sie wärmt seinen Rücken und sein Kreuz - seine Schwachstellen. Dazu trägt er eine Kappe, Mund-Nasenschutz mit selbstgestalteter Graphik, eine Riesensonnenbrille und den MP3-Player on. Schon auf dem Hinweg also faltet er exakt in der Mitte der Augartenbrücke auf der linken Seite im Sinne seiner Gehrichtung fromm die Hände, verneigt sich vor dem Donauarm, der unter der Brücke hindurchfließt und kein Kanal ist, was er jedesmal an dieser Stelle in Gedanken festhält, grüßt Sonne, Mond und Sterne und Wind und Wolken, verneigt sich vor der Mutter Erde („Mutter“ fällt ihm immer noch ganz schwer) mitsamt all ihren Kindern, Bäumen, Sträuchern, Gräsern, Pflanzen aller Art, Tieren, Menschen und geht zu Fuß weiter wie ein Reisender durchs Universum. Im Ohr die Stöpsel mit den Highwaymen und ihrer Hymne – Proph. Jonas wäre wohl ein guter, glücklicher und begnadeter Autofahrer gewesen, hätte er den Führerschein gemacht – geht, nein schwebt als Skywalker weiter gen Westen (oder doch nur als Hänschen klein und Hans im Glück, der mit seiner belämmerten Euphorie Richtung Mutterschoß stapft?).

 

An der Stelle Alserstraße – Kinderspitalgasse angekommen, begrüßt er die Bäume 1007, 1008, 1009, 1010, die Riesenplatane, die Birke und drüben beim Haus mit dem Husaren die „kleine“ Platane, die auch mehrere Stockwerke hoch ist, mit Abnehmen seiner coolen Strohkappe und angedeuteten Verneigungen (dazu zufällig aber passend das Andachtslied der Omar Rodriguez-Lopez Group im Ohr) um dann endlich zu seiner Therapiestunde zu gehen.

 

Nach Ende der Stunde muß ihn seine Therapeutin regelrecht rausschmeißen, weil er nicht mehr zu reden aufhören und den Kontakt abbrechen kann.

 

Er vergißt in seiner Euphorie, sich von den Baumfreunden zu verabschieden, fährt mit der Staßenbahn zum Jonasreindl recte Schottentor, steigt in die U2, eilt dann nach Hause, Essen, Geschirrspüler, Waschmaschine, Kaffee, noch ein Kaffee, noch einer – kurz gesagt: er spinnt.

 

 

 

 

(23.10.2020)

 

©Peter Alois Rumpf   Oktober 2020   peteraloisrumpf@gmail.com

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