2054 Proph. Jonas spinnt
Am Rückweg ist Proph. Jonas soeben im Jonasreindl vom 43er
in die U2 umgestiegen.
Schon am Hinweg, zu Fuß, hat er schon leicht zu spinnen
begonnen. Angefangen hat es damit, dass er sich eine groteske Weste, die er
einmal mit 40 Grad gewaschen haben muß – so ist sie eingegangen – angezogen
hat. Obwohl ärmellos hat er seine Arme gerade noch durch die ärmellosen
Ärmellöcher durchgebracht, zwei Knöpfe fehlen und er konnte sie nicht über
seiner immensen Wampe zumachen. Aber sie wärmt seinen Rücken und sein Kreuz -
seine Schwachstellen. Dazu trägt er eine Kappe, Mund-Nasenschutz mit
selbstgestalteter Graphik, eine Riesensonnenbrille und den MP3-Player on. Schon
auf dem Hinweg also faltet er exakt in der Mitte der Augartenbrücke auf der
linken Seite im Sinne seiner Gehrichtung fromm die Hände, verneigt sich vor dem
Donauarm, der unter der Brücke hindurchfließt und kein Kanal ist, was er
jedesmal an dieser Stelle in Gedanken festhält, grüßt Sonne, Mond und Sterne
und Wind und Wolken, verneigt sich vor der Mutter Erde („Mutter“ fällt ihm
immer noch ganz schwer) mitsamt all ihren Kindern, Bäumen, Sträuchern, Gräsern,
Pflanzen aller Art, Tieren, Menschen und geht zu Fuß weiter wie ein Reisender
durchs Universum. Im Ohr die Stöpsel mit den Highwaymen und ihrer Hymne –
Proph. Jonas wäre wohl ein guter, glücklicher und begnadeter Autofahrer
gewesen, hätte er den Führerschein gemacht – geht, nein schwebt als Skywalker weiter
gen Westen (oder doch nur als Hänschen klein und Hans im Glück, der mit seiner
belämmerten Euphorie Richtung Mutterschoß stapft?).
An der Stelle Alserstraße – Kinderspitalgasse angekommen,
begrüßt er die Bäume 1007, 1008, 1009, 1010, die Riesenplatane, die Birke und
drüben beim Haus mit dem Husaren die „kleine“ Platane, die auch mehrere
Stockwerke hoch ist, mit Abnehmen seiner coolen Strohkappe und angedeuteten
Verneigungen (dazu zufällig aber passend das Andachtslied der Omar
Rodriguez-Lopez Group im Ohr) um dann endlich zu seiner Therapiestunde zu
gehen.
Nach Ende der Stunde muß ihn seine Therapeutin regelrecht
rausschmeißen, weil er nicht mehr zu reden aufhören und den Kontakt abbrechen
kann.
Er vergißt in seiner Euphorie, sich von den Baumfreunden zu
verabschieden, fährt mit der Staßenbahn zum Jonasreindl recte Schottentor,
steigt in die U2, eilt dann nach Hause, Essen, Geschirrspüler, Waschmaschine,
Kaffee, noch ein Kaffee, noch einer – kurz gesagt: er spinnt.
(23.10.2020)
©Peter Alois Rumpf Oktober 2020
peteraloisrumpf@gmail.com
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